© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 50/21 / 10. Dezember 2021

Kühlregal statt Koks-Rap
Deutsche Hip-Hopper erobern die Supermärkte mit ihren Eigenmarken
Eric Steinberg

Capis BraTee ballert übertrieben kraß. Schmeckt nicht zu fruchtig, nicht zu süß, genau perfekt.“ Das ist der Slogan, mit dem der Deutschrapper Capital Bra (JF 23/19) seinen eigenen Eistee bewirbt. Seit Februar sind seine Erfrischungsgetränke in den deutschen Supermärkten erhältlich. In gleich vier Sorten: Wassermelone, Pfirsich, Zitrone und Granatapfel. Wer den Ausflug des Rappers in den Lebensmittelmarkt für einen Marketing-Gag hält, hat weit gefehlt. Die deutsche Rapszene ist längst in Kühlregal angekommen. Gestern noch Drogen wie „Tilidin“ besungen (auf Youtube hat das Lied über 84 Millionen Aufrufe gesammel), heute liegen Brause und Co. auf dem Kassenband.

Mehrere Millionen seiner Eistees verkaufte der Rapper bisher und macht damit sogar Marktführern wie Fuze Tea ernsthafte Konkurrenz. BraTee ist nicht das einzige Produkt, bei dem Vladislav Balovatsky, wie der gebürtige Russe mit bürgerlichem Namen heißt, unternehmerisches Geschick beweist. Bereits im Frühjahr 2020 brachte er seine eigene Tiefkühlpizza mit dem Namen „Gangstarella“ auf den Markt. Auch davon sind mittlerweile vier Geschmackssorten erhältlich. 

Der Einstieg in andere Märkte kommt nicht von ungefähr. Die Ausweitung des eigenen Business ist tief in der DNA der Deutschrap-Szene verwurzelt. Es geht darum, möglichst viel „Para“ zu machen, also Geld zu verdienen – und der Einzelhandel geht gern profitable Kooperationen ein. Immerhin ist Balovatsky Rekordhalter: Er ist der Künstler mit den meisten Nummer-1-Hits in Deutschland, 22 an der Zahl. Rapper wie er können bei einem Einstieg in den Lebensmittelmarkt bereits auf eine riesige Fanbasis setzen, das minimiert das Floprisiko. Hinzu kommt eine zielgruppengerechte Ansprache. „Be…lelele…legt mit überkrasser gebratener Sucuk, Peperoni & roten Zwiebeln“, heißt es auf der Website der „Gangstarella“-Pizza in typischer Capi-Sprechweise. 

Ihre Reichweite nutzen mittlerweile auch andere Rapper. Shirin David brachte erst im August ihren eigenen Eistee „Dirtea“ in die Supermarktregale, selbstverständlich bereits in verschiedenen Geschmackssorten. Eine noch kreativere Wortschöpfung hatte an dieser Stelle nur noch der Musiker Haftbefehl parat, der seinem Erfrischungsgetränk den Namen „HafTea“ verlieh. Die Produktarten lassen sich in unzählige Bereiche ausweiten: Tiefkühldöner von Azet oder auch Weißwein von Reezy. 

Vorbilder scheffeln in den USA Millionen

Rapper und Plattenlabelboss Xatar betreibt nicht nur seine eigene „Haval Grill“-Imbißkette, sondern vertreibt unter dem Namen auch TK-Köfte und vegane Falafel – natürlich alles halal. Da ist der Weg zu anderen Genußmitteln aus dem muslimischen Kulturkreis nicht weit. So preist der palästinensische Rapper Massiv neben seiner „Baba’s“-Dönerkette auch seinen eigenen „Al Massiva“-Shishatabak an. Sorten beispielsweise: „Ghettolied“, „Handgemacht & Illegal“, „Sommer in Beirut“. Die Kollegen Farid Bang und Bushido investieren ebenfalls in Shishatabak, der Afghane SSIO in den Hype um CBD-Produkte (JF 10/20).

Für die deutschen Lebensmittel-Musiker finden sich berühmte Vorbilder. In der amerikanischen Hip-Hop-Szene ist der Einstieg in andere Branchen mittlerweile normal. Von dortigen Umsätzen können hiesige Eistee-Unternehmer jedoch bisher nur träumen. Der exzentrische Soundkünstler Kanye West macht mit seiner Turnschuhmarke Yeezy mittlerweile mehr Geld als mit seinen Beats. Im Jahr 2007 soll Rapper Jay-Z sein selbstgegründetes Klamottenlabel „Rocawear“ für stolze 200 Millionen Dollar verkauft haben. Auch seine Champagnermarke „Armand de Brignac“ ist mittlerweile eine lukrative Wertanlage. Eine Flasche kostet im Verkauf knapp 300 Euro. 

Weniger teuer, dafür um so skurriler ist das Angebot von Hip-Hop-Legende Snoop Dog. Unter dem Namen „LeafsbySnoop“ veröffentlichte er 2015 im Bundesstaat Colorado seine eigene Marihuana-Kollektion. Die Fans können aus acht verschiedenen Sorten wählen, von sedierend bis anregend ist für jeden etwas dabei. Für eine gemütliche Kiffer-Atmosphäre lassen sich in Snoop Dogs Online-Shop auch noch die passenden Duftkerzen bestellen. 

Ob skurril oder nicht, für die Produkte der deutschen und amerikanischen Rapper finden sich reihenweise Abnehmer. Und das in so großer Zahl, daß sich die Supermärkte dem Geschäft aus strategischer Sicht nicht verschließen können. Welches Image und welche Werte die Rapper vertreten, rückt da in den Hintergrund. Aber nicht nur für Märkte wie Aldi oder Rewe sind die Angebotspaletten ein finanzieller Segen, sondern auch für die Rapper selbst. Hinter den Produkten verbirgt sich eine riesige Einnahmequelle neben dem eigentlichen Standbein Musik, die zusätzlich noch Fans bindet. Denn die bekommen nicht genug von BraTee und Co.

Foto: Rapper Capital Bra (l.) und seine Tiefkühlpizzamarke „Gangstarella“ (r.): Mit orientalischem Sucuk-Belag für die junge neudeutsche Kundschaft