© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/21 - 01/22 / 24. Dezember 2021

Fritz im Glück
Mitgliederbefragung: Basis-Liebling Merz gewinnt die innerparteiliche Abstimmung deutlich und wird im dritten Versuch CDU-Vorsitzender
Peter Freitag

Anlauf Nummer drei brachte ihm endlich den ersehnten Erfolg: Friedrich Merz hat die innerparteiliche Mitgliederbefragung gewonnen und wird – formal erst in einem Monat auf dem Parteitag – neuer CDU-Chef. Am vergangenen Dienstag um 14 Uhr stand das Ergebnis fest: Mit 62,1 Prozent setzte sich der frühere Fraktionsvorsitzende und Bundestags-Rückkehrer gleich im ersten Wahlgang gegen seine beiden innerparteilichen Konkurrenten Norbert Röttgen (25,8 Prozent) und Helge Braun (12,1 Prozent) durch. Die Wahlbeteiligung lag nach Auskunft der Partei bei etwa 66 Prozent. Insgesamt hatten 248.360 der insgesamt knapp 400.000 Mitglieder an der Befragung teilgenommen, davon 132.617 online und 115.743 per Briefwahl.

Die Neuwahl war nötig geworden, nachdem der Noch-Vorsitzende und ehemalige Kanzlerkandidat Armin Laschet nach der verlorenen Bundestagswahl seinen Rückzug von der Parteispitze angekündigt hatte. 

„Das Ergebnis hätten wir auch schon 2018 haben können“, meinen nicht wenige aus dem Merz-Lager anschließend. In der Tat war der Sauerländer seit seiner überraschenden Ankündigung vor drei Jahren, wieder in den politischen Ring zu steigen, der Favorit der Basis. Besonderen Rückhalt genoß er schon bei den vorherigen Kampfkandidaturen gegen Annegret Kramp-Karrenbauer beziehungsweise Armin Laschet vor allem in den süd- und den ostdeutschen Verbänden sowie bei den Vertretern des Wirtschaftsflügels und in der Jungen Union. In den Stoßseufzern seiner Anhänger schwingt auch der Vorwurf mit: Wäre Merz früher Vorsitzender und so auch Kanzlerkandidat geworden, hätte dieser womöglich auch besser bei der Bundestagswahl abgeschnitten. Beweisen läßt sich dies natürlich nicht. 

Wie sehr die 1.001 Delegierten der Parteitage am Willen ihrer Mitglieder vorbeivotiert hatten, muß ihnen am Freitag schlagartig bewußt geworden sein. Und auch Merz’ seinerzeitiges Poltern, das „Establishment“ der CDU wolle ihn gegen den Willen der Basis verhindern, klingt nicht mehr ganz so nach „Verschwörungsmythologie“ wie von seinen Gegnern behauptet. Daß der Kandidat mit der größten Distanz zur Langzeit-Kanzlerin Angela Merkel bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit holte, während der Merkel-Getreue Braun magere 12 Prozent erzielte, sagt viel aus über die innerparteiliche (Wechsel-)Stimmung.

Im Vorfeld der Bekanntgabe des Ergebnisses am Freitag hatte der 66jährige bekräftigt, Volksparteien, „wie wir sie kennen“, hätten auch im 21. Jahrhundert noch ihre Berechtigung. Dies wolle er im Fall der CDU versuchen zu realisieren. Damit widerspricht der Bald-Vorsitzende der unter Politikwissenschaftlern gängigen These vom Ende der Volksparteien im herkömmlichen Sinne. Denn sie stünden vor dem Dilemma, daß die Wähler einerseits ein klares Profil erwarteten, dieses andererseits aber wiederum den Ausschlag geben könne, die Partei dann nicht zu wählen. Insofern sei der Wandel hin in Richtung sogenannter professionalisierter Wählerparteien, die sich strategisch in erster Linie auf erfolgreiche Wahlergebnisse ausrichteten, praktisch unaufhaltsam. Parteien solchen Typs würden immer weniger auf den Erwerb und die Betreuung von Mitgliedern setzen, da Aufwand und Ertrag dabei in keinem Verhältnis stünden.

Merz kündigte davon unbeirrt an, auch in Sachfragen künftig die Basis der Partei stärker zu beteiligen.