© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/21 - 01/22 / 24. Dezember 2021

US-Fed und Bank of England beginnen, ihre Geldpolitik zu straffen
Die Gefahr ist nicht gebannt
Thorsten Polleit

Der Inflationsgeist ist aus der Flasche. Aber nicht Corona ist daran schuld. Verursacher sind die Zentralbanken. Sie haben die Geldmengen drastisch ausgeweitet, um die Lockdown-Folgen zu entschärfen. Seit Ende 2019 hat die US-Zentralbank Fed die Dollar-Menge um 40 Prozent ausgeweitet. Die EZB trieb die Geldmenge um 19 Prozent in die Höhe, die Bank von England (BoE) um 18 Prozent. Jetzt kommt, was kommen muß: In den USA lag die Jahresinflation der Konsumgüterpreise im November bei 6,8 Prozent, in Deutschland bei 5,2 Prozent, im Euroraum bei 4,9 Prozent, in Großbritannien bei 5,1 Prozent. Noch stärker wütet die Geldentwertung in den Vermögensmärkten: In den USA stiegen die Hauspreise im Herbst um 19,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, in Deutschland waren es 13 Prozent, in Großbritannien elf Prozent.

Daher hat die Fed nun angekündigt, ihre extrem expansive Geldpolitik zu beenden und 2022 ihren Leitzins dreimal in Richtung 0,75 Prozent anzuheben. Die BoE hat sogar schon am 16. Dezember gehandelt und ihren Leitzins um 0,15 auf 0,25 Prozentpunkte erhöht. Ist damit die „Zinswende“ und der „Kampf gegen die Inflation“ eingeleitet? Muß auch bald die EZB handeln, die bislang keinerlei Anstalten macht, ihre Leitzinsen anzuheben? Mit dem künftigen Bundesbankpräsidenten Joachim Nagel sitzt ja erneut ein „engagierter Verfechter einer stabilitätsorientierten Geldpolitik“ (Die Welt) im EZB-Zentralrat.

Leider gibt es einige Gründe, die sehr skeptisch machen. Die weltweite Verschuldung kletterte bis Mitte 2021 auf den Rekordwert von 300 Billionen Dollar – das waren etwa 353 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Dies macht es de facto unmöglich, daß die Zinsen auf „normale“ Niveaus zurückkehren, ohne daß Wirtschaft und Finanzmärkte zusammenbrechen. Zu groß ist die Abhängigkeit von immer mehr Krediten und Geld, bereitgestellt von den Zentralbanken zu Niedrigzinsen. Das heimliche wirtschaftspolitische Motto lautet: Lieber Inflation als Rezession. Die Inflation gilt auch deshalb als „die Politik des vergleichbar kleinsten Übels“, weil sie dem Staat und den Sonderinteressengruppen, denen er die Hände spielt, zupaß kommt. Inflation wirkt wie eine heimliche Steuer. Sie setzt die Kaufkraft des Geldes herab und begünstigt dabei vor allem den Staat – denn seine Schulden werden in realer, das heißt inflationsbereinigter Rechnung entwertet. Zudem versorgt die Inflation den Staat aufgrund der allerorten progressiv gestalteten Einkommenssteuer mit einem steigenden realen Steuerertrag.

Daß die dem Staat dienende Zentralbank ihren Gehorsam versagt, ist unwahrscheinlich. Daß anhaltende Inflation aber keine Lösung ist, zeigt aktuell die Wirtschafts- und Währungskrise in der Türkei. Hier herrscht mittlerweile Hochinflation, weil die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan die Zentralbank TCMB unerbittlich dazu anhält, die heimische Geldmenge gewaltig auszuweiten, um die Probleme, die ihre miserable Wirtschaftspolitik verursacht hat, zu übertünchen. Es bleibt sehr zu hoffen, daß die großen Volkswirtschaften der Welt es doch noch schaffen, die Inflation zu beenden, bevor sie desaströs wird. Allerdings sollten selbst Optimisten sich eingestehen, daß das Risiko einer Hochinflation auch in der westlichen Welt nicht mehr zu vernachlässigen ist.






Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirtschaftler und Präsident des Mises-Instituts.