© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/21 - 01/22 / 24. Dezember 2021

Schwimmende Luftbasen
Flugzeugträger entschieden nach Pearl Harbor die maritime Strategie / US-Dominanz bis heute
Thomas Schäfer

Der japanische Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941, der zum Kriegs-eintritt der USA führte, bewirkte auch eine deutliche Wende in der Seekriegsstrategie. Denn immerhin war es der kaiserlichen Marine gelungen, durch den gekonnten Einsatz von sechs Flugzeugträgern acht amerikanische Schlachtschiffe zu versenken oder zu beschädigen und so die Verwundbarkeit der bisherigen „Beherrscher der Meere“ bei Luftangriffen auf eindrucksvolle Art unter Beweis zu stellen. Dabei hatte sich schon seit längerem angedeutet, welche Kampfkraft Flugzeugträger besitzen.

Die Geschichte dieser neuen Art von Kriegsschiffen begann drei Jahrzehnte vor Pearl Harbor mit den anfangs noch belächelten Versuchen des US-Flugpioniers Eugene Burton Ely, auf einem Kreuzer zu starten und zu landen. Kurz darauf brach der Erste Weltkrieg aus, in dem auch sogenannte „Flugzeugmutterschiffe“ zur Verwendung gelangten, die ihre Schwimmer-Maschinen per Kran aufs Wasser setzten. So wie die japanische „Wakamiya“, deren Farman-Doppeldecker am 6. September 1914 vor dem Hafen von Tsingtau den ersten seegestützten Luftangriff der Geschichte ausführten. Und ab dem 16. September 1918 stand dann schließlich mit der britischen „Argus“ der erste echte Flugzeugträger mit einem Glattdeck vom Bug bis zum Heck zur Verfügung.

Weitere derartige Schiffe wurden bis 1923 auch in den USA und Japan in Dienst gestellt. Dazu kamen später noch große Trägerneubauten unter Nutzung von Rümpfen nicht zu Ende gebauter Schlachtkreuzer, wie die amerikanische „Lexington“ und die britische „Courageous“. Diese waren mit ihren bis zu 110 Flugzeugen bereits respekteinflößende maritime Kampfmittel.

Das enorme Potential solcher Flugzeugträger zeigte sich erstmals in der Nacht vom 11. zum 12. November 1940 beim Angriff auf die italienische Kriegsflotte im Hafen von Tarent. Damals setzten 21 Fairey-Swordfish-Torpedobomber, welche von dem britischen Flugzeugträger „Illustrious“ gestartet waren, die drei Schlachtschiffe „Conte di Cavour“, „Caio Duilio“ und „Littorio“ auf Grund. Damit lag gleichzeitig auch die Blaupause für die japanische Operation gegen Pearl Harbor vor, wobei vor deren Beginn noch ein weiteres Schlachtschiff unter Mitwirkung von Flugzeugträgern zum Sinken gebracht werden konnte, nämlich die deutsche „Bismarck“. Die war ihren überlegenen britischen Verfolgern zum Opfer gefallen, nachdem es eine Swordfish der „Ark Royal“ am 26. Mai 1941 vermocht hatte, die Ruderanlage des 53.000-Tonnen-Riesen zu beschädigen.

Übermacht an US-Flugzeugträgern entschied den Pazifikkrieg

Im Pazifik avancierten die Flugzeugträger nach Pearl Harbor zur Hauptwaffe der amerikanischen und japanischen Seestreitkräfte. Das zeigte sich insbesondere während der vier großen Trägerschlachten des Jahres 1942, nämlich der Schlacht im Korallenmeer (7./8. Mai), der Schlacht um Midway (4. bis 7. Juni), der Schlacht bei den Ost-Salomonen (23. bis 25. August) und der Schlacht bei den Santa-Cruz-Inseln (26. Oktober). In deren Verlauf büßten die Japaner sechs Flugzeugträger ein und die USA drei, was letztlich mit zur Wende im Pazifischen Krieg führte, weil es den Vereinigten Staaten sehr viel leichter fiel, ihre Verluste auszugleichen. Schon Mitte 1943 überstieg die Zahl der seit Pearl Harbor in Dienst gestellten amerikanischen Träger die des Gesamtbestandes der japanischen Marine. Und zwischen dem 8. Juli 1943 und dem 8. Juli 1944 kamen dann nochmals über 50 solcher Kampfschiffe hinzu, darunter nun auch viele der leichteren Geleitträger.

Insgesamt bauten die USA bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 24 große und mehr als 120 kleine Flugzeugträger, welche in zunehmend stärkerem Umfang eingesetzt wurden. So beispielsweise während der Schlacht in der Philippinensee am 19./20. Juni 1944, als 15 US-Träger auf neun japanische trafen. Oder bei den erbitterten See- und Luftgefechten im Golf von Leyte zwischen dem 23. und 26. Oktober 1944. Da warf die US Navy 34 Träger aller Art in den Kampf, während die kaiserliche Marine nur noch vier aufzubieten hatte. Deshalb schlug nun die Stunde einer „Spezial-Angriffstruppe“ namens Shimpū Tokkōtai. Die sogenannten „Kamikaze“ konnten bis Februar 1945 unter anderem die drei Geleitträger „St. Lo“, „Ommaney Bay“ und „Bismarck Sea“ versenken, ohne dadurch aber die japanische Niederlage zu verhindern.

Nach dem Kriegsende 1945 waren die USA nicht zuletzt dank ihrer großen Flugzeugträgerflotte die Seemacht Nummer eins. Und daran änderte sich auch bis heute nichts. Das resultiert zum einen aus der nach wie vor bestehenden Überzahl der Träger der Vereinigten Staaten. Diese verfügen aktuell über elf solcher Schiffe, während die übrigen sieben Länder mit Flugzeugträgern im Bestand ihrer Seestreitkräfte zusammen neun besitzen.

Zum anderen haben die USA ihre Träger auch kontinuierlich modernisiert. Ein Meilenstein hierbei war 1955 die Indienststellung des ersten „Supercarriers“ der Forrestal-Klasse. Der wies nunmehr ein Winkeldeck auf, womit gleichzeitige Starts und Landungen möglich wurden. Dazu kamen noch weitere Innovationen wie Dampfkatapulte und größere Hangars für Düsenflugzeuge. Dann folgte 1961 die „Enterprise“, welche über acht A2W-Druckwasser-Kernreaktoren verfügte, die dem Schiff eine nahezu unbegrenzte Reichweite verliehen. Und momentan setzt die „Gerald R. Ford“ die Maßstäbe im Flugzeugträgerbau. Diese gigantische Kampfmaschine mit 100.000 Tonnen Wasserverdrängung und 337 Metern Länge kostete 13 Milliarden US-Dollar und ist damit das teuerste Kriegsschiff aller Zeiten.

Der „Gerald R. Ford“ sowie auch die anderen zehn aktiven US-Träger der Nimitz-Klasse können weder dem veralteten russischen „Admiral Kusnezow“ noch den etwas neueren chinesischen Trägern „Liaoning“ und „Shandong“ oder den Modellen der Marinen von Frankreich, Großbritannien, Thailand, Indien und Italien Paroli bieten. Allerdings erproben die Militärs im Reich der Mitte und in Rußland derzeit ballistische Anti-Schiffs-Raketen, die als „Flugzeugträger-Killer“ gelten und bereits in sehr naher Zukunft zu einer ernsthaften Bedrohung für die weltweit agierenden US-Trägerverbände werden könnten.

Foto: Der US-Flugzeugträger „Franklin“ nach einem Gefecht mit japanischen Marineeinheiten, März 1945: Das Verhältnis der Träger war zeitweise 34 zu 4 zugunsten der Amerikaner