© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 52/21 - 01/22 / 24. Dezember 2021

Sternlein zählen
Planetenschauspiel, Komet oder Supernova: Der Stern von Bethlehem wahrt sein Geheimnis
Paul Leonhard

Zum Weihnachtsfest ist für die Sternenfreunde schon fast alles vorbei: Der Komet C/2021 A1 Leonard ist am Morgenhimmel ebensowenig mehr sichtbar wie die Lichterkette aus Mond und drei Planeten am Abendhimmel. Und auch die Geminiden als stärkster Sternschnuppenstrom des Jahres hatten ihren Höhepunkt um den 14. Dezember.

Die richtigen Sternenfreunde dagegen, die hauptberuflich oder im Ehrenamt in einer der mehr als hundert Planetarien aktiv sind, werden vor allem die Daumen drücken, daß ihnen die Mutationen des Coronavirus nicht das Weihnachtsprogramm verderben. Bei der Volkssternwarte Drebach ist dies bereits geschehen. Die für den 26. Dezember im Zeiss-Planetarium geplante Veranstaltung zum Stern von Bethlehem wurde pandemiebedingt abgesagt.

Viele andere Planetarien halten dagegen an ihrem Kassenschlager zu Weihnachten fest und versprechen eine Antwort auf die die Abendländer seit zwei Jahrtausenden beschäftigende Frage: War der Stern von Bethlehem, der die Heiligen drei Könige zur Krippe mit dem Jesuskind geführt hat, wirklich ein Stern oder eine andere Lichterscheinung am Himmel?

Als weihnachtliches Symbol hat sich der Adventsstern längst durchgesetzt. Viele hölzerne Krippen ziert ein Stern mit einem langen Schweif. Auch die Kinder malen bevorzugt den Stern von Bethlehem so – war es also ein Komet? Astronomen halten das für möglich, denn die Wanderer im All tauchen plötzlich ohne Ankündigung auf, stehen eine Zeitlang auffällig und hell am Himmel, um ebenso schnell wieder zu verschwinden. 

Im Planetarium Münster werden die Besucher mit ins All genommen. Gemeinsam wird versucht, das Geheimnis zu lüften. Verschiedene astronomische Erklärungsansätze stellt Christian Theis, Direktor des Planetariums Mannheim, in seinen Vorträgen mit Hilfe moderner Planetariumstechnik vor.

Auch in vielen anderen Sternwarten, so im Planetarium der Hochschule Flensburg, wird hinterfragt, was sich die Menschen mit dem damaligen Wissen zur Astronomie unter der im Matthäus­evangelium beschriebenen Leuchterscheinung vorgestellt haben könnten. War es etwas tatsächlich Sichtbares oder sind die Beschreibungen der damaligen Zeit eher symbolhaft zu sehen? 

Thomas W. Kraupe, Direktor des Planetariums Hamburg, lädt seine Gäste auf eine Reise in längst versunkene Kulturen ein. Mittels „Zeitmaschine Planetarium“ geht es über zweitausend Jahre zurück in die Vergangenheit. Der Himmelsanblick zur Zeit der Geburt Christi wird unter der Sternenkuppel sichtbar, und die Zuschauer begegnen auf der Suche nach möglichen astronomisch-historischen Erklärungen für das Phänomen Kometen, Planeten, Sternexplosionen und anderen möglichen Deutungen des „Weihnachtssterns“.

Viele Planetarien bieten ein Weihnachtsprogramm

Der berühmte Astronom Johannes Kepler (1571–1630) vermutete einen plötzlich auftauchenden „neuen Stern“ oder das Aufeinandertreffen des Königssterns Jupiter auf Saturn, den Stern der Juden. Eine Annahme, die im vergangenen Jahr von einigen Medien als mögliche Erklärung für den „Stern von Bethlehem“ aufgegriffen wurde. Denn am 21. Dezember 2020 standen Jupiter und Saturn – zwei der größten Planeten im Sonnensystem – fast in einer Linie, wie seit fast 400 Jahren nicht mehr, so daß man sie nur durch genaues Hinschauen noch voneinander unterscheiden konnte.

Aber die drei Heiligen aus dem Morgenland hätten zu ihrer Zeit nach Bethlehem mit Überschall fliegen müssen, denn Jupiter und Saturn kommen sich nur an einem Tag und da auch nur für zwei Stunden so nahe. 

Aus Sicht von Ulrich Heber, Professor für Stellare Astrophysik an der Universität Erlangen-Nürnberg, weisen alle Erklärversuche Schwachstellen auf: die Konjunktion der beiden Planeten ebenso wie die Kometentheorie oder die Annahme einer Sternexplosion, für die der passende Supernova-Überrest fehlt.

Und so schicken sich auch dieses Jahr wieder Astronomen an, das Für und Wider der Theorien zu erklären, Menschen die Himmelsvorgänge zur Geburtszeit von Jesus Christus erlebbar zu machen. Und sie betten ihre Vorträge in besinnliche Weihnachtsprogramme für die ganze Familie ein und bieten als Höhepunkt an, einen gemeinsamen Blick in den Winterhimmel zu werfen. 

Mitunter ist das sogar am 24. Dezember vor der Bescherung möglich, am Zeiss-Planetarium Jena beispielsweise. Aber auch zu Hause könnte nach dem Festessen die Festbeleuchtung und der Herrnhuter Stern ausgeschaltet werden, um gemeinsam vom Balkon oder der Terrasse die Köpfe zu heben und die Sternlein zu zählen.

Foto: „Weihnachtsstern“ über Maria und Josef: Verkündung der Geburt Christi