© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

Aufgeschnappt
Wenn Fälschungen die Narren narren
Matthias Bäkermann

Bereits im Mittelalter liefen Vertreter Braunschweiger Gilden am „vastel-avende“ in sonderbarer Aufmachung durch die Stadt, um „den Teufel zu scheuchen“, mittelniederdeutsch „Schoduvel“ genannt. Seit 1979 erinnern am Rosenmontag Umzüge in der Löwenstadt mit bis zu 200.000 Zuschauern an diesen alten Brauch. Vergangenes Jahr mußte der „Schoduvel“ Corona-bedingt jedoch erstmals ausfallen. Und so sollte es laut Brief der Stadt Braunschweig, der bei Zugmarschall Gerhard Baller Silvester im Postkasten landete, am 28. Februar 2022 wieder sein. Da das offizielle Schreiben sogar die Unterschrift von Oberbürgermeister Thorsten Kornblum trug, sagten die Karnevalisten umgehend und pflichtschuldigst den „Schoduvel“ ab – und ihre große Prunksitzung gleich mit. Tags darauf, am 3. Januar, teilte indessen die Stadtverwaltung mit, daß sie „keine Untersagung verfügt“ hat, jemand die Verwirrung um die Corona-Regeln für diesen „gefälschten Brief“ benutzt habe – Strafanzeige sei raus! Zugmarschall Baller greinte derweil in der Braunschweiger Zeitung über die „ganz klar verletzen Grenzen der Narrenfreiheit“. Wegen des „dynamischen Pandemiegeschehens“ wolle er jetzt aber an der „bedauerlichen Absage“ festhalten.