© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

„… spricht das eher gegen eine Impfpflicht“
Corona-Maßnahmen: Ende der Woche wollen sich Bund und Länder erneut zusammensetzen / Wachsende Kritik und Protest in der Bevölkerung
Jörg Kürschner

Vor dem Hintergrund rasant steigender Teilnehmerzahlen bei Demonstrationen gegen die Corona-Beschränkungen und einer weitgehend unklaren Infektionsdatenlage erwägen Bund und Länder eine Verkürzung der Quarantänedauer, um der Ausbreitung der Omikron-Virusvariante zu begegnen. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sprach bezogen auf sein Bundesland von 50.000 Demonstranten am Montag abend.

Das neue Jahr hielt für die Politik höchst Unerfreuliches bereit. Laut einer aktuellen Umfrage des Erfurter Meinungsforschungsinstituts INSA glauben nur noch 32 Prozent der Befragten den offiziellen Corona-Zahlen, eine Mehrheit von 57 Prozent antwortete mit einem klaren Nein. Eine Umfrage, die Regierung und Opposition in Unruhe versetzt hat. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mußte einräumen, daß das aktuelle Infektionsgeschehen „in den offiziellen Zahlen nicht zutreffend abgebildet ist“. 

Verkürzung der Quarantäne gefordert

In der Grünen-Bundestagsfraktion war von „einem Datenblindflug durch zwei Jahre Pandemie“ die Rede. Die FDP begründete den Vertrauensverlust mit der Politik der abgewählten Merkel-Regierung. „Bundeskanzler Olaf Scholz muß endlich einen konkreten Plan vorlegen, wie er die Corona-Politik dieses Jahres gestalten will“, verlangte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge. Das Robert-Koch-Institut (RKI) lehnte jede Verantwortung ab, verwies auf die Gesundheitsämter. Dort scheint aber so manches Faxgerät nicht zu funktionieren. Die CDU-Abgeordnete Jana Schimke legte RKI-Chef Lothar Wieler indirekt einen Rücktritt nahe. 

Die Befürworter einer verkürzten Quarantänedauer, die für Infizierte, Angehörige und Kontaktpersonen in den meisten Bundesländern 14 Tage beträgt, verweisen auf mögliche personelle Engpässe in der sogenannten kritischen Infrastruktur. Mit anderen Worten, zu viele Omikron-Infizierte könnten dazu führen, daß zu wenige Polizeibeamte, Ärzte, Krankenschwestern oder Pflegekräfte im Einsatz wären. Für die Grünen befürwortete deren Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen eine Quarantäneverkürzung nur für Beschäftigte ohne Kontakte, nicht aber für Krankenschwestern. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verwies auf längst bestehende Pandemiepläne. „Da braucht es keinen Nachhilfeunterricht.“ Beispielsweise hatten Spanien und Portugal die Quarantäne für Symptomlose von zehn auf sieben Tage reduziert. Die Omikron-Variante wird als hochansteckend, aber als im Krankenverlauf weniger schwer dargestellt. „Wahrscheinlich etwas harmloser“ als die Delta-Variante, prognostizierte Lauterbach. Er zeigte sich zuversichtlich, daß das Medikament Paxlovid zur Behandlung schwerer Fälle noch im Januar eingesetzt werden kann. 

Derzeit in den Hintergrund getreten ist die Debatte über eine allgemeine Impfpflicht, die noch im Januar im Bundestag beraten werden soll. Vorbehalte wurden in der FDP artikuliert. Bundesjustizminister Marco Buschmann: „Wenn das Impfen absehbar nur für zwei, drei Monate helfen sollte, aber ansonsten im Grunde alles bleibt, wie es ist, spricht das eher gegen eine Impfpflicht.“ Die AfD, die sich als einzige Partei im Bundestag gegen eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen hat, sieht sich durch die zunehmenden Proteste bestätigt. „Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben“, sagte Parteichef Tino Chrupalla.