© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

Fünf Tage in Quarantäne
Paraguay: Deutsche Abenteurer und Impfgegner hoffen auf einen Neuanfang in Südamerika
Wolfgang Bendel

Am 22. Oktober wurde in Itauguá in Paraguay der Gründer des „Mammutheums“ im oberbayerischen Siegsdorf, Bernard von Bredow, zusammen mit seiner 14jährigen Tochter Loreena grausam ermordet. Die Täter hatten es offensichtlich auf die Echtheitszertifikate einiger bereits vorher entwendeter wertvoller Geigen abgesehen. Der 62jährige Bayer lebte in Paraguay von der Restaurierung alter Musikinstrumente. Drei Deutsche wurden inzwischen von der dortigen Polizei als dringend tatverdächtig verhaftet.

Etwas größer als die Bundesrepublik und zwischen Argentinien, Bolivien und Brasilien gelegen, hat das Land nur sieben Millionen Einwohner – aber davon 200.000 mit deutschsprachigen Vorfahren. Meist sind es Deutschbrasilianer oder Mennoniten, deren Vorfahren überwiegend aus den deutschen Siedlungsgebieten Rußlands stammen. Auch der von 1954 bis 1989 autoritär herrschende Präsident Alfredo Stroessner (1912–2006) hatte einen deutschen Vater. Laut Auswärtigem Amt leben derzeit 26.000 Bundesbürger hier. In Kleinstädten wie Independencia oder Caacupé bestimmen deutsche Auswanderer mittlerweile das Ortsbild – und es kommen immer mehr. Dies bestätigt auch ein österreichisches Paar, das seit 2020 Lateinamerika bereist: „In den sechs Monaten, die wir nicht in Paraguay waren, haben sich die Ankünfte von Deutschen immens erhöht. Es handelt sich zumeist um Familien, die ihre Kinder von Deutschland wegkriegen wollen. Unser Einwanderungshelfer, der einer von vielen ist, sagt, er hat jede Woche zwanzig neue Klienten. Seit wir im Januar hier ankamen, hat sich einiges getan, obwohl es damals auch schon viele Einwanderer gab.“ Bezahlbaren Mietraum zu bekommen werde daher immer schwieriger.

Die Regierung in Asunción versucht gegenzusteuern und will die Bedingungen für Zuwanderer erschweren. Das Bankdepot, das für eine Daueraufenthaltsgenehmigung nötig ist, soll deutlich erhöht werden: von 5.000 auf möglicherweise 50.000 US-Dollar – das wäre das Zehnfache des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf. Die Motive der Neuankömmlinge sind unterschiedlich. Neben Abenteuerlust und wirtschaftlichen Überlegungen überwiegt inzwischen die Unzufriedenheit mit der gesellschaftlichen Situation in Deutschland, die durch die Angst vor einer Impfpflicht verstärkt wird. Allerdings gibt es Corona-Maßnahmen auch in Paraguay. Bei der Einreise muß derzeit ein Covid-Test vorgelegt werden, der nicht älter als 72 (PCR) bzw. 24 (Antigen) Stunden sein darf. Wer ungeimpft ist, muß eine fünftägige Quarantäne in einem Privatquartier oder Hotel verbringen. Wie streng das überprüft wird, ist aber eine ganz andere Frage.

Viele sind zudem schlecht auf ihre Auswanderung vorbereitet. Immer wieder fehlen die sprachlichen oder finanziellen Voraussetzungen, um einen solchen großen Schritt erfolgreich bewältigen zu können. Manch einer ist auch mentalitätsmäßig nicht auf einen so tiefen Umbruch vorbereitet. Ein erheblicher Teil der Auswanderer kam bislang wieder zurück. Ob es bei der aktuellen „Corona-Welle“ ebenso sein wird, wird wohl nicht zuletzt von der weiteren Entwicklung in Deutschland abhängen.