© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

Ein bahnbrechendes Abkommen
Dänemark: Migranten sollen Haftstrafen im Kosovo absitzen / 210 Millionen Euro für Miete und Klimaschutz
Paul Leonhard

Die in Afrika geplanten Auffanglager für in Dänemark Asyl suchende Migranten sind mangels Staatsverträgen noch immer nicht realisiert, doch ab 2023 sollen 300 in Dänemark einsitzende ausländische Strafgefangene in einem Gefängnis im Kosovo untergebracht werden. Sie sollen überdies nach Absitzen ihrer Haftstrafe nicht nach Dänemark zurückkehren dürfen, sondern direkt aus dem Kosovo abgeschoben werden. Für das Experiment wurde das Gefängnis von Gjilan auserkoren, etwa 50 Kilometer von der Hauptstadt Pristina entfernt.

Die Leitung des Objekts werde ein Däne übernehmen, und es werde dänisches Recht gelten, sagte der sozialdemokratische Justizminister Nick Hækkerup. Das arme Zwei-Millionen-Land, nur halb so groß wie Hessen, soll in den nächsten zehn Jahren 150 Millionen Euro Miete erhalten und zusätzlich 60 Millionen Euro für die Förderung von Klimaschutz, Menschenrechten und die Entwicklung der Rechtsstaatlichkeit. Die kosovarische Justizministerin, Albulena Haxhiu, sieht das Abkommen als Beweis, daß „unser Land bei den Reformen im Bereich der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit Fortschritte gemacht hat“.

Dänemark verschaffe sich mit diesem „bahnbrechenden Abkommen“ mehr Platz in seinen überfüllten Gefängnissen und eine Entlastung der Strafvollzugsbeamten. Zudem sei es ein „deutliches Signal an Menschen aus Drittstaaten, die ausgewiesen werden sollen: Eure Zukunft ist nicht in Dänemark, und ihr sollt deshalb nicht dort eure Haftstrafe absitzen“, so Hækkerup. Voriges Jahr gab es in dänischen Gefängnissen 365 Abschiebehäftlinge. Für verurteilte Kriminelle gibt es auch keine Bewährungsmöglichkeit mehr. Zudem wurden Gesetze dahingehend verschärft, daß Asylsuchende ohne Verfahren aus Dänemark in Länder außerhalb der EU abgeschoben werden.

Die vom Ausland finanzierte NGO Council for the Protection of Human Rights and Freedoms kritisiert das Abkommen. Das Gefängnis von Gjilan sei eines von lediglich dreien im Kosovo, die internationalen Standards entsprechen. Würde es vermietet, müßten einheimische Kriminelle in andere Haftanstalten verlegt werden, in denen die Bedingungen schlechter seien. Zudem hätten Häftlinge das Recht, ihre Strafe so nah wie möglich bei ihren Familien zu verbüßen, erklärte NGO-Geschäftsführerin Behxhet Shala. Da der Vertrag vorerst eine Laufzeit von fünf, mit einer Option auf weitere fünf Jahre, hat, können wegen Terrorismus oder Kriegsverbrechen verurteilte oder psychisch gestörte Zuwanderer nicht im Kosovo untergebracht werden. Und bevor das Abkommen in Kraft treten kann, müssen noch die Parlamente beider Staaten zustimmen.