© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

Droht die „Preisblase“ an den globalen Finanzmärkten bald zu platzen?
Vorsicht bei Crash-Warnung
Thorsten Polleit

Diese Worte von Oliver Bäte sollten aufhorchen lassen: „Alle Warnlampen im Risikomanagement leuchten rot“, erklärte der Allianz-Chef auf einer Konferenz der Ratingagentur Standard & Poor’s mit Blick auf die globalen Finanzmärkte. Große Versicherer sind nämlich breit investiert – in Aktien, Anleihen, Kreditstrukturen, Immobilien, Private Equity, Infrastruktur und anderes mehr. Sie sind auch unverdächtig, grundlos vor Fehlentwicklungen zu warnen, die ihre Kunden verschrecken könnten.

Daß es große Verwerfungen in der internationalen Finanzmarktarchitektur gibt, deren Folgen auch die reale Wirtschaft zusehends in Mitleidenschaft ziehen, steht außer Frage. Die großen Zentralbanken bleiben bei den Niedrigzinsen und weiten die Kredit- und Geldmengen immer weiter aus. Das Institute of International Finance (IIF) schätzt, daß die globale Verschuldung im dritten Quartal 2021 knapp 300 Billionen Dollar betrug – das waren 353 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes. Damit diese Schuldenpyramide nicht zusammenstürzt, Staaten, Banken und Private nicht pleite gehen, drücken die Geldbehörden die Kreditkosten sogar unter die Nullinie. Diese Inflationspolitik ist nun ganz offen zutage getreten, sie hat die Konsumgüterpreise erreicht (JF 52/21). Allerdings wütet sie schon seit langem in den Vermögensmärkten.

Weil die Zinsen nach Abzug der laufenden Teuerungsrate mittlerweile negativ sind, das Geld also seine Kaufkraft verliert, versuchen Anleger ihr Kapital zu retten. Das steigende Geldangebot wird vor allem verwendet, um Sachwerte wie Aktien, Immobilien, Rohstoffe oder Kunst zu kaufen. Die Folge ist eine fulminante „Vermögenspreisinflation“, die zu einer Verteuerung, also zu einem Anstieg der Bewertungsniveaus für die Vermögensgüter, führt. Das sorgt für Kapitalfehllenkung, schädigt langfristig gesehen Wachstum und Beschäftigung der Volkswirtschaften. Die bange Frage, die vor allem auch so manchen Anlagestrategen umtreibt, lautet: Droht die „Preisblase“ bald zu platzen? Apple ist an der Börse nun drei Billionen Dollar wert – mehr als das Bruttoinlandsprodukt des 67-Millionen-Einwohner-Landes Frankreich und doppelt soviel wie das von Brasilien.

Doch ausall dem läßt sich noch keine „Crash-Prognose“ ableiten. Fehlentwicklungen können länger andauern, als viele denken. Sie können sogar noch größer werden, bevor die Korrektur einsetzt. Das gilt um so mehr im derzeitigen Politikregime, in dem Regierungen, aber auch Regierte und Unternehmen in der Inflationspolitik das vergleichsweise kleinste Übel erblicken: Lieber mehr Inflation, als in eine Rezession-Depression zu verfallen. Für den Anleger wachsen zweifellos die Risiken. So kann ein zu früher Ausstieg aus den Vermögensmärkten zu erheblichen Verlusten in Form von entgangenen Kapitalzuwächsen führen. Wer hingegen überbewertete Aktien, Anleihen und Immobilien zu lange hält, kann, wenn er nicht rechtzeitig aussteigt, dauerhafte Kapitalverluste erleiden.

Unter der jetzigen Zentralbankpolitik wird die Kapitalanlage mehr denn je zum Vabanquespiel. Eines ist dabei allerdings so gut wie sicher: Die Inflation ist gekommen, um zu bleiben, die Kaufkraft von Dollar, Euro & Co. gerät also zusehends unter die Räder. Und sie wird sehr wahrscheinlich erst noch schlimmer, bevor das allseits gefürchtete Crash-Szenario eintritt.






Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirtschaftler und Präsident des Mises-Instituts.