© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

Poker im Erzgebirge
Lithiumabbau: Der chinesische Rohstoffkonzern Ganfeng will das britische Minenunternehmen Bacanora übernehmen
Paul Leonhard

Die Industrie in Deutschland soll unabhängiger von internationalen Lieferketten werden. Deswegen will Sachsens Wirtschaftsminister, Martin Dulig (SPD), daß spätestens ab 2025 Lithium im Erzgebirge gefördert wird. Dort haben Geologen etwa 125.000 Tonnen des Rohstoffs lokalisiert, aus denen sich rund 660.000 Tonnen Lithiumsarbonat gewinnen ließen. Das Leichtmetall ist ein wichtiger Bestandteil von Akkus. Mit der staatlich geforderten E-Offensive der deutschen Autobauer wird sich der Bedarf bis 2025 auf mehr als 500.000 Tonnen des „weißen Goldes“ verdoppeln. Und noch ein Vierteljahrhundert später wird Kontinentaleuropa laut Prognosen der EU-Kommission gut 60mal soviel Lithium benötigen wie heute.

Allerdings verfügt Europa bisher über keine eigene Lithiumproduktion, weswegen die EU solche Projekte begrüßt. Derzeit stammen 80 Prozent des weltweit abgebauten Lithiums aus Australien, Chile und Argentinien. Und meistens mischen bereits an den Abbauorten Chinesen mit. Ohnehin wird der Rohstoff nach China transportiert, dort weiterverarbeitet und erst dann nach Europa exportiert. Die größten deutschen Lithiumvorkommen werden tief unter dem Rhein vermutet: im 300 Kilometer langen und bis zu 40 Kilometer breiten Oberrheingraben. 15 Millionen Tonnen könnten allein in einem bereits untersuchten Teil des Oberrheintals liegen, aus denen jährlich 40.000 Tonnen Lithiumhydroxid gewonnen werden könnten – ausreichend für eine Million E-Autos, versichert der Geologe Horst Kreuter gegenüber der ARD. „Das gesamte Oberrheintal ist damit die größte Lithiumlagerstätte Europas und eine der größten der Welt.“

Kreuter, Geschäftsführer des australischen Unternehmens Vulcan Energie, will diesen Schatz mittels eines selbst entwickelten geothermischen Verfahrens heben, bei dem man bis zu 200 Grad heißes Thermalwasser aus bis zu vier Kilometern Tiefe nach oben pumpt und Lithium herauslöst. Allerdings gibt es seitens der Bevölkerung Widerstand, die schlechte Erfahrungen mit Geothermiebohrungen gemacht hat und auf Risse in Gebäuden in Staufen und Leonberg verweist. Ärger gibt es seit Jahren in Österreich. Dort bangen Gemeinden um ihr Trinkwasser, seit die australische Firma Explorer European Lithium die Schürfrechte für ein Lithiumvorkommen in Wolfsberg an der Grenze zwischen Kärnten und der Steiermark besitzt. Abgesehen vom Verein „Grüne Liga“, der ebenfalls um das Grundwasser fürchtet, ist dagegen aus dem Osterzgebirge kein Protest gegen das neue „Berggeschrey“ bekannt. Im Gegenteil, in der Bergbauregion wird auf das hohe technische Können und die im Vergleich zu Australien und Südamerika hohen Umweltstandards verwiesen.

Arbeitsplätze in Sachsen und geostrategische Überlegungen

In bewährter Tradition sollen die Lithium-Glimmer-Gneiskörper bergmännisch abgebaut und über lange Schrägrampen nach oben transportiert werden, wo sie durch Brecher und Mühlen bis auf einen Millimeter Stückchengröße zerkleinert werden. Dann wird das magnetische Zinnwaldit, das Lithium, Kalium und Eisen enthält, vom tauben Gestein abgetrennt. Anschließend wird das Zinnwaldit mit Gips und Kalkstein vermischt und auf 1000 Grad erhitzt, dabei zerfällt es in kleine, wasserlösliche, geröstete Kügelchen. Aus diesen wird das Lithiumcarbonat mittels Wasser und Kohlensäure herausgelöst. Dieses von der Bergakademie Freiberg entwickelte Verfahren, an dessen Ende ein schneeweißes, puderzuckerähnliches Produkt vorliegt, gilt als effizient und umweltschonend, ist aber letztlich etwa so teuer wie die Lithiumgewinnung in Australien.

Die Kosten für die Wiederbelebung der stillgelegten Grube und der Bau eines neuen Chemiewerkes werden auf rund 160 Millionen Euro geschätzt. Die Staatsregierung rechnet mit 200 bis 250 neuen Arbeitsplätzen, etwa 70 davon im Bergbau. Aber wer sind eigentlich die Investoren? Als die eigens gegründete Deutsche Lithium GmbH ihr Projekt vor elf Jahren in Sachsen startete, war sie ein Tochterunternehmen des 2017 in Konkurs gegangenen Solar-World-Konzerns, in das sich Bacanora für fünf Millionen Euro einkaufte. Derzeit fungiert die Deutsche Lithium GmbH als Tochter der britischen Zinnwald Lithium. Solar World hatte Untersuchungen der Bergakademie Freiberg aufgegriffen, deren Wissenschaftler sich daran erinnert hatten, daß bereits in den 1920er Jahren in der als Zinn- und Wolframlagerstätte bekannten Zeche Lithium in kleinen Mengen abgebaut worden war, und Nacherkundungen angeregt.

Das ursprünglich kanadische Unternehmen Bacanora Minerals besitzt 70 Prozent der Anteile. Es hat derzeit seinen Sitz in London und konzentriert sich auf seine Lithiumabbaurechte im Bundesstaat Sonora in Mexiko. An einem Erwerb von Bacanora ist wiederum der chinesische Konzern Ganfeng interessiert, der eng mit VW, BMW und Tesla zusammenarbeitet. Gelänge den Chinesen die Übernahme, würde Ganfeng bestimmen, ob künftig im Osterzgebirge Lithium abgebaut wird oder nicht. Die von der Deutschen Lithium erworbene Abbaulizenz gilt 30 Jahre. Ausgerechnet London könnte ein Veto einlegen: Britische Sicherheitsinteressen seien bedroht, wenn die KP in Peking ein Monopol auf Lithiumprodukte aufbauen könnte, warnt Iain Duncan Smith, ehemaliger Tory-Chef. Die britische Regierung müsse einschreiten.

Mehr Unabhängigkeit verspricht der geplante Bau einer Lithiumraffinerie in Brandenburg. Auf der deutschen Seite der seit 1945 geteilten Stadt Guben im Landkreis Spree-Neiße sollen ab 2024 jährlich 24.000 Tonnen batteriefähiges Lithiumhydroxid hergestellt werden. Geliefert wird der Rohstoff dafür allerdings nicht aus Deutschland, sondern aus einer Mine in Kanada, so sehen es die Pläne der kanadischen Firma Rock Tech vor. Ziel ist letztlich der Aufbau eines geschlossenen Lithiumkreislaufs: Alte Batterien sollen hier aufgearbeitet werden. Bis 2030 soll die Hälfte der verwendeten Rohstoffe aus diesem Recycling stammen. Ähnliches plant die Firma AMG in Bitterfeld. Die weltweiten Vorkommen an Lithium sind nach Meinung von Experten auf 50 Millionen Tonnen begrenzt.

Zinnwald-Lithium-Projekt: deutschelithium.de

Foto: Besucherbergwerk „Vereinigt Zwitterfeld zu Zinnwald“: Das Unternehmen Deutsche Lithium GmbH will in der Erzgebirgsregion ein neues Bergwerk und eine Aufbereitungsanlage errichten