© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

Rückkehr der Rasse in die europäische politische Debatte
Kulturelle Werte schlagen Hautfarbe
(dg)

In der politischen wie wissenschaftlichen Debatte um „Ungleichheit“ in Europa sind die Begriffe Rasse und Rassismus, die seit langem nur noch als historische Relikte aus „finsteren Zeiten“ übriggeblieben zu sein schienen, in kürzester Zeit zur „zentralen Kategorie“ avanciert. Dabei habe sich, wie der in Berlin lehrende Soziologe Ruud Koopmans feststellt, gerade in Europa, wo es im Gegensatz zu den USA bis zum Ende des 20. Jahrhunderts keine nennenswerte schwarzafrikanische Minderheit gegeben hat, eine „breite Definition“ durchgesetzt, die sowohl das phänotypische Aussehen als auch Ethnizität und Religion umfaßt. Aus dieser Sicht des „Rassismus“ beziehen sich die Bezeichnungen „weiß“ und „schwarz“ nicht mehr auf körperliche Merkmale, sondern meinen die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die keine Diskriminierung erfährt („die Weißen“), und einer, die unter „Ungleichheit“ leidet. Jüdische Menschen werden in diesem Raster als „weiß“ kategorisiert und gelten damit nicht als eine durch „Rassismus“ bedrohte Gruppe. Umgekehrt würden nach dieser Logik Personen, die sich äußerlich nicht von Juden unterschieden, wie etwa Muslime, als „People of Color“ eingestuft. Wie Koopmans in einer Befragung zur Arbeitsmarktdiskriminierung in Deutschland herausfand, verschleiert dieses plumpe „Modell von Rassismus“ lediglich verschiedene Aspekte von Herkunft, die tatsächlich zu Ungleichheit führen. Daher zeigte sich in der Studie kein allgemeines Ablehnungsmuster für nichtdeutsche, nichtweiße und nichtchristliche Gruppen, weil Arbeitgeber Bewerber nicht nach Hautfarbe oder Religion klassifizieren, sondern danach, ob sie ihnen ähnlichen „kulturellen Werten“ anhängen (WZB-Mitteilungen 173/2021). 


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