© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

Revoluzzer der Tafelrunde
Kino: Der Agentenfilm „The King’s Man – The Beginning“ treibt allerhand Schabernack mit historischen Ereignissen
Dietmar Mehrens

Sie nennen sich Artus, Lancelot, Galahad und Merlin. Und wie ihre Vorbilder aus der Artus-Sage haben sie sich der Ehre, der Treue und dem Lande verschrieben, an dessen Gedeihen ihnen gelegen ist: Britannien. Sie sind keine Ritter der Tafelrunde, sondern Agenten im Geheimdienst Ihrer Majestät, auch wenn diese besser nicht genau darüber Bescheid weiß, was sie im Verborgenen so alles treiben. Folgt man der Filmerzählung, handelt es sich nämlich bei der schlagfertigen Truppe der „Kingsmen“ um eine Art Gegengift für einen anderen, weitaus weniger edlen Motiven verpflichteten Geheimbund, einen Bund des Bösen. Zu viel darf da nicht nach außen dringen.

Zwei große Filmabenteuer hat der britische Regisseur Matthew Vaughn mit seiner Neo-Tafelrunde bereits auf die Leinwand gezaubert: „Kingsman: The Secret Service“ (2014) und „Kingsman: The Golden Circle“ (2017). Beide kamen wegen der gefälligen Mischung aus Witz und Keilerei beim Publikum blendend an. In der ersten Januarwoche kommt nun der dritte Streich des Regisseurs in die Kinos. Er erzählt, wie es Anfang des letzten Jahrhunderts zur Gründung der extrem extravaganten und ebenso aristokratisch wie akrobatisch agierenden Agententruppe kam, und heißt demgemäß, vorsichtig an den deutschen Sprachgebrauch angepaßt: „Des Königs Mann – Wie alles begann“.

Eine Geheimorganisation zwielichtiger Figuren

An Widersachern fährt das Drehbuch von Vaughn und Co-Autor Karl Gajdusek so ziemlich alles auf, was die Jahre zwischen 1914 und 1918 so an zwielichtigen Gestalten hergeben. Sarajevo-Attentäter Princip, die Geheimagentin Mata Hari, der ominöse russische Geistliche Rasputin (um nur die prominentesten zu nennen): sie alle waren berüchtigte Figuren und erlangten Berühmtheit durch eine dubiose Tollkühnheit, die in dem turbulenten Spionagereißer damit erklärt wird, daß sie einer Art Anti-Tafelrunde angehören. Diese Geheimorganisation, geleitet von dem gemeingefährlichen „Hirten“, trifft sich auf einer entlegenen, verborgenen Ziegenfarm zu konspirativen Sitzungen. Der Zuschauer darf sich also im Kino mit einer neuen Version der Ereignisse auseinandersetzen, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führten: Alles ist zurückzuführen auf hinterhältige Revoluzzer, die die Welt in Chaos und Verderben zu stürzen wild entschlossen sind. Mit dem finsteren Oberbösewicht, der hinter allem steckt und den es unschädlich zu machen gilt, sind die Parallelen zum klassischen Agentenkrimi offenkundig.

Wo es eine Tafelrunde der Bösen gibt, muß eine Tafelrunde der Guten den Kampf gegen sie aufnehmen. In diesem Kampf ergreift der Duke of Oxford (Ralph Fiennes) die Initiative. Ihm zur Seite stehen sein ritterlicher Sohn Conrad (Harris Dickinson) sowie zwei kolossal loyale Haushaltshilfen, nämlich Shola (Djimon Hounsou) und Polly (Gemma Arterton), die alsbald in die Rollen von wehrhaften Rittern schlüpfen. Mit dieser Rollenbesetzung – ein Schwarzer, eine Frau – ist die entscheidende Schlacht schon vor der ersten Action-Szene erfolgreich geschlagen: die Schlacht für Vielfalt beim Film. Da wird der Rest schon fast zur Nebensache.

Oxford und seine Getreuen können sich bei der Bildung ihrer nicht-kriminellen Vereinigung verlassen auf die Rückendeckung seitens einflußreicher Persönlichkeiten aus den führenden Kreisen, namentlich des Generals Herbert Kitchener (Charles Dance). Mit ihm hat Oxford bereits in der südafrikanischen Kronkolonie Bekanntschaft gemacht, wo er unter tragischen Umständen seine Frau Emily (Alexandra Maria Lara) verlor.

Der Film setzt auf große Bilder und große Wirkung. Für historisch Interessierte ist Vaughns Spiel mit der Geschichte des Ersten Weltkriegs bei aller Fiktionalisierung nicht ohne Reiz. Die aufwendige filmische Rekonstruktion des Attentats von Sarajevo und das Agieren des durchtriebenen Geistersehers Rasputin (Rhys Ifans) am Hof von Zar Nikolaus II. sind von beträchtlichem Schauwert, wohingegen das reichlich unrealistische Finale des Spionage-Spektakels vor allem die Erwartungen der (jugendlichen) Anhänger von Comic-Verfilmungen erfüllt.

Ihr größtes Abenteuer hatten die Geheimagenten indes schon vor dem Kinostart zu bestehen. Der Film wurde nämlich seit November 2019 immer wieder verschoben, wegen der Corona-Unbilden zuletzt auf Februar 2021, dann auf August. Jetzt soll es endlich losgehen. In puncto Startschwierigkeiten haben die Geheimagenten des Königs also ihr großes Vorbild James Bond schon mal in den Schatten gestellt.

Kinostart ist am 6. Januar 2022

Foto: Der Duke of Oxford (Ralph Fiennes, r.) und sein ritterlicher Sohn Conrad (Harris Dickinson)