© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

Analytisch und vulgär
Allen Löschungen zum Trotz: Mit seiner „Honigwabe“ kann sich Youtuber „Shlomo“ halten
Boris T. Kaiser

Mit seinem Youtube-Kanal „Die Vulgäre Analyse“ (VA) schaffte es Shlomo Finkelstein 2015/16 schnell, sich in rechten Kreisen einen Namen zu machen. Der schnelle Ruhm hatte seinen Preis. Der Videomacher, der mit knackigen Kommentaren, aber auch eindeutigen Zahlen mit Vorliebe „woke Snowflakes“, die Öffentlich-Rechtlichen und den Kulturkampf aufs Korn nimmt, war einer der ersten, der im Zuge der Netz-Zensur systematisch gelöscht wurde – samt aller Ausweich- und Neukanäle. Doch mittlerweile ist die Kunstfigur mit der altertümlichen Richterperücke an anderer Stelle zurück – und hält sich.

Zum einstmaligen Verschwinden beigetragen hatte damals auch ein Video, das er als Reaktion auf das islamistische Attentat auf die Redaktion des französischen Satire-Magazins Charlie Hebdo veröffentlichte. Aus Ärger über die verharmlosenden und in seinen Augen zu verständnisvollen Kommentare – auch vieler seiner eigenen Freunde auf Facebook – machte der stets sein Gesicht verbergende junge Mann damals einen Clip, in dem er öffentlich auf einen Koran urinierte. In Interviews begründete er diesen drastischen und geschmacklosen Schritt damit, daß die Aktion für ihn zu der Zeit das Zeichen des größtmöglichen Protests gegen den um sich greifenden politischen Islam gewesen sei.

Zielscheibe für linksliberale Medien

Gegenüber dem Medienjournalisten und Gründer von Massengeschmack TV, Holger Kreymeier, erklärte Shlomo, wie ihn seine Fans schlicht nennen: Der größte Wert, den er hochhalte, sei die Meinungsfreiheit. Seine Meinung sei, „daß diese Ideologie kompletter Scheiß ist“. Da diese Meinung nicht zuletzt aufgrund offener Gewaltandrohungen kaum ausgesprochen werden könne, halte er es für nötig, genau das zu tun, was einem die Muslime verbieten wollten.

Viele linksliberale Medien sind bei solchen Tönen, die in Kontrast zu Shlomos sonstiger eher akademischer Ausdruckweise stehen, freilich weniger nachsichtig und setzen sich mit den Beweggründen erst gar nicht auseinander. Stattdessen erkoren sie VA zu einem Feindobjekt. Die ARD griff die provozierenden Aussagen und Szenen dankbar auf, um die Radikalisierung durch neue rechte Medienmacher im Netz zu dokumentieren, und ging gezielt gegen VA-Videos vor, weil sie angeblich mit sekundenkurzen Sequenzen aus dem Anstaltsfernsehen das Urheberrecht verletzten.

Der Spiegel machte den Youtuber in seinem Artikel „Die Hetzer hinter dem Hacker“ indirekt mitverantwortlich für eine sogenannte Doxing-Aktion, bei der um die Jahreswende 2018/2019 ein mutmaßlich durch ihn radikalisierter Hacker intime Daten von deutschen Politikern und Prominenten veröffentlichte. 

Die aktivistischen Belltower News der linksradikalen Amadeu-Antonio-Stiftung schlagen in dieselbe Kerbe. In einem Text über „die Rolle des Haß-Youtubers Shlomo Finkelstein“ wird aus einem Video über die „Cancel Culture“-Angriffe auf die Meinungsfreiheit zitiert: „Ich denke nicht, daß unserer Fokus darauf liegen sollte, diese Leute irgendwie auf unsere Seite zu ziehen. Ich denke, diese Leute sollten wir ficken. Einfach nur ficken, in die Öffentlichkeit zerren und demütigen – vor aller Welt.“ 

Harte Worte, die zwar gerade vielen jungen Netzwerknutzern und Anhängern von „Rechts­twitter“ (JF 21/20) aus der Seele sprechen, aber so manchem Bürgerlichen zu weit gehen und den Mainstreammedien in die Hände spielen dürften.

Obgleich er als Einzelperson auf Youtube inzwischen unwiderruflich gesperrt bleibt, ist Shlomo dort weiterhin zu hören – und das nun schon vergleichsweise konstant: als Teil der Kombo „KasperKast X HonigWabe“. Im Gegensatz zu seinen „vulgären Analysen“ ist das neue Format legerer und „familienfreundlich“ gehalten. 

Im Stile eines lockeren Gesprächs-Podcasts plaudern Shlomo Finkelstein und sein Talkpartner, der Betreiber des Kanals „IdiotenWatch“ wie zwei alte Kumpels über Gott und die Welt beziehungsweise über rassistische Anschläge auf Weiße, den „Fall Julian Reichelt“, „Social Justice Warrior“ oder die Verringerung von Intensivbetten während der Corona-Krise. Dabei nimmt er auch immer wieder Bezug auf sein eigenes digitales Schicksal. 

In Anspielung auf seinen zwischenzeitlichen und mittlerweile ebenfalls gelöschten Kanal „Die Honigwabe“ streamt er zudem unter „Honigwave“ live auf der Plattform Twitch und schreibt für das Magazin Krautzone.