© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/22 / 07. Januar 2022

Das zweitälteste Gewerbe der Menschheit
Der Bremer Historiker Andreas Eckert hat eine komprimierte Geschichte der Sklaverei von der Antike bis heute vorgelegt
Marcel Waschek

Eine junge Frau wird an der Küste des heutigen Nigeria von muslimischen Sklavenjägern gefangen. Sie wird auf den Feldern ihrer neuen Herren als Arbeitskraft eingesetzt. Eine miserable Unterkunft und schlechtes Essen sind ihr Lohn. Eines Tages wird sie weiterverkauft. Weiße Seeleute verbringen sie angekettet in einem Schiff in die Neue Welt. Dort schuftet sie unter ähnlichen Bedingungen wie in Afrika auf der Tabakplantage ihrer Besitzer. Da sie die an sie gestellten Anforderungen erfüllt und nicht aufbegehrt, wird sie als Amme in den Haushalt der Plantagenbesitzer aufgenommen. Sie lernt lesen und schreiben und den Wohlstand der Pflanzerelite des nord-amerikanischen Südens kennen. 

Die Schiffe der nordafrikanischen Korsaren tauchen im 17. Jahrhundert völlig unerwartet vor der Küste Islands auf. Die Isländer, die nach Nordafrika und in das osmanische Reich verschleppt werden, müssen ihr Dasein in Zwangsarbeit fristen. Glücklich können sich diejenigen schätzen, die mit Zahlungen christlicher Staaten ausgelöst werden. Vieles an diesen Schicksalen ist unterschiedlich, vieles gleich. Beide Fälle sind von Fremdbestimmung, dem Fehlen jeglicher eigener Rechte und der Behandlung als wirtschaftlich relevante Ware gekennzeichnet. Der Sklaverei, welche vielfältige Erscheinungsformen hat, widmet sich das Buch „Geschichte der Sklaverei“ des Historikers und Afrikaforschers Andreas Eckert, der bereits zum Kolonialismus schrieb.

Die Sklaverei in der klassischen Alten Geschichte, also im antiken Griechenland und Rom, sowie dem Mittelalter werden, obwohl sie verschiedene Erscheinungen sind, kurz, aber sinnvoll zusammenhängend abgehandelt. Dabei werden bereits die Bedeutung des Handels mit von Sklaven angebauten Exportgütern und der durch Versklavte erbrachten Dienstleistungen hervorgehoben. Der Schwerpunkt der Betrachtung Eckerts liegt allerdings auf der Zeit ab der Französischen Revolution. Dementsprechend nehmen der Handel mit schwarzen Menschen und die daraus resultierenden wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen einen Großteil des Buches ein. 

Wie gelang es, derart viele Afrikaner von ihrem Heimatkontinent in die Neue Welt zu verbringen und welche Verwendung gab es für diese „Ware Mensch“? Die meist von Einheimischen selbst durchgeführten Sklavenjagden und die Eigenverwendung sowie der Verkauf an Europäer spielen hierbei eine Rolle. Dabei kommt es gerade durch die Güter Europas, die Verwendung von Sklaven und die wirtschaftlichen Gewinne zur Bildung von mächtigen afrikanischen Reichen. Die Bedingungen auf den verschiedenen Schauplätzen werden behandelt: Südamerika (vor allem Brasilien) als Verschleißwirtschaft mit einer sehr hohen Sterberate der Sklaven, die Karibik als äußerst profitable Plantagenwirtschaft und das südliche Nordamerika mit einer weniger tödlichen Sklavenwirtschaft, welches aber dennoch eine sehr ertragreiche Agrargesellschaft bildet.

Kampf gegen Sklaverei als Grund für koloniale Intervention

Die Abolition und ihre Hintergründe werden umfassend erläutert. Ob die Moral oder die wirtschaftlichen Erwägungen bei der Beendigung der Sklaverei eine Rolle gespielt haben, wird vor dem Hintergrund der christlichen Erweckungsbewegungen, der Aufklärung, welche wenig gegen die Sklaverei unternommen habe und der fortschreitenden Industrialisierung betrachtet. Hierbei spielt der ambitionierte Kampf Großbritanniens gegen den Sklavenhandel und die Sklaverei eine große Rolle für das Geschehen. Dies sei besonders dann der Fall, wenn die europäischen Kolonialmächte diesen als moralische Rechtfertigung zur Intervention in sklavenhaltende afrikanische Staaten genutzt hätten. Bis heute fortbestehende verschiedene Strukturen und Merkmale der Sklaverei in Afrika und Asien, aber auch in Europa werden thematisiert.

Da das Werk in seiner Kürze nicht alle Aspekte der Sklaverei abhandeln kann, eignet es sich eher als Einstiegswerk in diese Thematik. Eckert gelingt es, eine vielschichtige überaus komplexe Erscheinung auf knapp über 100 Seiten auf wissenschaftlich belegte, umfassende und informative Weise darzustellen. Von dem gut geordneten Wissensbestand des Buches läßt sich für Interessierte auch dank des sehr umfangreichen Literatur- und Quellenverzeichnisses und der ausgiebigen Literaturempfehlungen leicht in die Tiefe der jeweiligen Unterthematiken eintauchen. Das Buch bleibt damit der Wissen-Reihe des C. H. Beck Verlages treu. Ein Wermutstropfen besteht jedoch darin, daß das ansonsten neutrale, deskriptive und sachliche Werk mit dem Verweis auf „Black Lives Matter“ in das Moralisierende abrutscht.

Andreas Eckert: Geschichte der Sklaverei. Von der Antike bis ins 21. Jahrhundert. Verlag C. H. Beck, München 2021, broschiert, 128 Seiten, 9,95 Euro