© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/22 / 14. Januar 2022

Energiewende
Totaler Wahnsinn
Dieter Stein

Haben Sie auch zum Jahreswechsel einen Brief Ihres Energieversorgers in der Post gehabt? Für viele eine böse Überraschung. Uns wurde die Erhöhung der Stromkosten um zehn und der Gaspreise um 45 Prozent mitgeteilt. Sagenhaft! Mitten hinein in eine ohnehin steigende Nachfrage nach Erdgas stellt Deutschland zum Jahreswechsel drei Kernkraftwerke und Ende 2022 die letzten drei ab, will rasant aus der Kohle aussteigen – und die Lücke bei grundlastfähigen Kraftwerken mit Gasturbinen schließen. 

Der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck forderte indes am Dienstag, angesichts zu geringer CO2-Einsparungen in den vergangenen Jahren müsse das Tempo noch einmal „verdreifacht“ werden, damit Deutschland 2045 „klimaneutral“ werde. 

Vielleicht erreicht ja Deutschland seine Klimaziele, indem es seine energieintensive Industrie schlicht zur Auswanderung nötigt. Schon leidet die deutsche Wirtschaft vor allem durch rasant gestiegene Stromkosten unter einem besorgniserregenden Wettbewerbsnachteil. Der Energiewirtschaftler Jürgen Kuck prognostiziert, wir würden bei den jetzigen Strompreisen „eine Deindustrialisierung Deutschlands erleben“, die schneller gehen werde, als wir denken. Getreidemühlen, Kunststoffverarbeiter, Glashersteller, Gießereien – alle, die energieintensiv arbeiten, seien bereits jetzt betroffen.

Kohle und Kernkraft durch Gas zu ersetzen, macht Deutschland wirtschaftlich und politisch erpreßbarer. 

Der Alleingang Deutschlands beim Ausstieg aus der Kernenergie bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Kohleverstromung ist totaler Wahnsinn – nicht zuletzt auch klimapolitisch, denn aktuell wird die durch das Abschalten der KKWs entstandene Stromlücke durch einen Anstieg des Stroms aus Kohle kompensiert. Weil durch das Chaos der Energiewende vermehrt Stromausfälle drohen, klärte der WDR soeben seine Zuschauer launig auf, wie sie Blackouts überstehen.

Kohle wiederum durch Gas zu ersetzen bedeutet, Deutschlands Abhängigkeit bei der Grundlast von einem Energieträger noch weiter zu steigern. Das ist der Ball auf dem Elfmeterpunkt, um Deutschland wirtschaftlich und politisch erpressen zu können! Insbesondere für Rußland, aus dem wir bereits jetzt über die Hälfte des Gasbedarfs beziehen. Der russische Monopolist Gazprom zeigt schon mal seine Folterinstrumente, indem er deutsche Gasspeicher, statt nachzuliefern, bei anziehender Nachfrage im Sommer systematisch leerte.

Damit ein Großteil der Verbraucher für den, mehrheitlich bei der Bundestagswahl übrigens bejahten, klima- und energiepolitischen Kamikazeflug nicht die Quittung bezahlen muß, will die Politik jetzt den Umverteilungsapparat des Steuerstaates anwerfen. Wer soll aber dann für den Irrsinn aufkommen, wenn ein Teil des wesentlich die Steuerlast tragenden Mittelstandes wegen der Preisexplosion in die Knie geht?