© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/22 / 14. Januar 2022

Unruhen in Kasachstan
Moral schafft keinen Einfluß
Michael Paulwitz

In Kasachstan steht viel auf dem Spiel. Der Rohstoffgigant mit der achtfachen Fläche Deutschlands und der Einwohnerzahl von Nordrhein-Westfalen schien lange immun gegen größere Erschütterungen. Die Januar-Unruhen betreffen den wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands in Zentralasien. Die ehemalige Sowjetrepublik, die im Dezember den 30. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit beging, ist ein wesentlicher Lieferant für Erdöl und Erdgas, verfügt über die weltgrößten Uranvorkommen, wesentliche Industriemetalle und seltene Erden.

Für Deutschland ist es von vitalem Interesse, ob Kasachstan auch nach dem Ende der Ära des langjährigen Präsidenten Nursultan Nasarbajew politisch stabil bleibt, ob es seine eigenständige Position zwischen China, Rußland und Amerika behauptet oder nach der Intervention russischer Truppen stärker unter Moskauer Dominanz gerät. 

Einfluß darauf kann eine Wirtschaftsmacht wie Deutschland nicht durch moralische Vorhaltungen oder substanzloses Säbelrasseln nehmen, sondern nur durch handelspolitisches Engagement und strategische Investitionen.

Schon die Merkel-Regierungen, die eine 2012 geschlossene Rohstoffpartnerschaft mit Kasachstan nie mit Leben erfüllt haben, blieben stets unter den Möglichkeiten für Deutschland in diesem geopolitischen Kraftfeld. Die hohltönenden Ermahnungen der Regierung Scholz zu Internet- und Versammlungsfreiheit nimmt zu Recht niemand für voll.