© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/22 / 14. Januar 2022

Ländersache: Thüringen
Guter Preis für Sammelfleiß
Paul Leonhard

In Sachen Kreislaufwirtschaft kennen sich die in Thüringen regierenden Post-Kommunisten aus. Denn den eigenen Staat über Wasser zu halten, das ging 40 Jahre nur, indem die soliden Qualitätsprodukte der überwunden geglaubten Gesellschaftsordnung möglichst lange am Leben erhalten wurden. Und das erforderte wiederum neben handwerklichem Geschick und Improvisationsvermögen funktionierende Netzwerke. 

An all das hat in Zeiten zusammengebrochener Lieferketten und unverhältnismäßiger Teuerung die Regierung von Bodo Ramelow (Linke) angeknüpft, als sie im Juni den Reparaturbonus einführte. Dem lag die Erkenntnis zugrunde, daß es zwar der Umwelt hilft, defekte Elektrogeräte zu reparieren anstatt sie wegzuwerfen, aber eine fachgemäße Reparatur häufig teurer als ein Neukauf ist. Daraufhin startete das Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz zusammen mit der Verbraucherzentrale ein Projekt, das die Bereitschaft zur Reparatur steigern soll, indem deren Kosten anteilig übernommen werden. Erklärtes Ziel: die Nutzungsdauer der Geräte zu verlängern und so Ressourcen zu schonen.

Das Versprechen der Landesregierung: Thüringer sollten bei Vorlage eines Kassenbons die Hälfte der Reparaturkosten bis zu maximal 100 Euro pro Jahr erstattet bekommen, was prompt zu Engpässen im Landeshaushalt führte. Das große Vorhaben war schlichtweg nicht finanzierbar. Ramelow & Co hatten die Unlust der Thüringer, Dinge wegzuwerfen, die sie teuer erworben haben, unterschätzt. Die reichten selbst Förderanträge für Radios und Kassettenrekorder aus DDR-Zeiten ein. Nachdem 6.000 Einwohner mit ihren Anträgen signalisiert hatten, daß sie, so Umweltministerin Anja Siegesmund, „keine Einweg-Wegwerf-Gesellschaft wollen“, mußte die Landesregierung die Reißleine ziehen. Die 400.000 Euro Landeszuschuß waren verbraucht.

„Aufgrund des hohen Interesses am Reparaturbonus Thüringen sind die zur Verfügung stehenden Mittel mit den jetzt vorliegenden Anträgen ausgeschöpft“, teilte die Verbraucherzentrale mit. Neue Anträge könnten nicht mehr entgegengenommen werden.

Dennoch zieht inzwischen auch der einstige Klassenfeind nach. Im Kreis Starnberg zahlt das Kommunalunternehmen Awista einen Zuschuß von bis zu 50 Euro auf die Reparatur von Kühlschränken, Kaffeemaschinen, Toastern oder Handys. Nieder-

sachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz signalisieren Interesse. In Sachsen-Anhalt hat Umweltminister Armin Willingmann (SPD) zugesagt, die Einführung eines Reparaturzuschusses zu prüfen. Kopiert werden soll das Thüringer Modell nicht, sondern ein eigenes, „möglichst unbürokratisches“ Verfahren entwickelt werden.

Druck macht auch der 2018 gegründete „Runde Tisch Reparatur“. Die Mitglieder wollen die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschriebene „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“, also das Recht auf Reparatur, nachhaltige Produkte und eine neue Rohstoffpolitik, einfordern. Aber auch hier ist das Projekt – wie im sozialistisch regierten Thüringen – finanziell nicht untersetzt.