© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/22 / 14. Januar 2022

Geldsegen der Woche
Zum Fenster rein
Christian Vollradt

Wer Urheber eines künstlerischen Werks ist, bekommt bekanntlich Tantieme, wenn sein Werk aufgeführt wird. Häufig sind solche Rechteinhaber den meisten Konsumenten gar nicht bekannt. So klingelte immer dann, wenn irgendwo im Radio („... die besten Hits der 80er ...“) wieder „Tausendmal berührt“ dudelt, die Kasse des ehemaligen Bundestagsabgeordneten und Linken-Politikers Diether Dehm, der die Pubertätsschmonzette einst für Klaus Lage geschrieben hatte. Und wenn in Dokumentationen über das „Wunder von Bern“, den Sieg der deutschen Nationalelf gegen Ungarn im Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft von 1954, die legendären Worte des Reporters Herbert Zimmermann erklingen („Aus dem Hintergrund müßte Rahn schießen – Rahn schießt – Tooooor! Tooooor! Tooooor! Tooooor!“), dann profitiert das Berliner Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströbele finanziell davon, der Neffe des 1966 verstorbenen Zimmermann. Denn der Anspruch auf Tantieme wird vererbt. Davon kann auch Sachsen – buchstäblich – ein Lied singen. So flossen laut Angaben des Dresdner Finanzministeriums im vergangenen Jahr rund 10.000 Euro an Tantiemen und Lizenzgebühren in die Kassen des Freistaats – für das Kult-Lied „Am Fenster“ der DDR-Rockband City. Grund ist eine sogenannte Fiskalerbschaft: Sobald der Verstorbene keine Verwandten mehr hat, erbt der Staat. Der Hit aus dem Jahr 1978 fußt auf einem Gedicht der Lyrikerin Hildegard Maria Rauchfuß (Trägerin des Vaterländischen Verdienstordens sowie des Nationalpreises der DDR III. Klasse für Kunst und Literatur, unter dem Decknamen „Bettina“ inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi), die 2000 verstarb. In diesem Sinne ist der Anfang von „Am Fenster“ zumindest in finanzieller Hinsicht geradezu prophetisch: „Einmal wissen, dieses bleibt für immer.“