© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/22 / 14. Januar 2022

Berlusconi will es noch einmal wissen
Italien: Die Suche nach einem neuen Staatspräsidenten verspricht großes Theater
Fabio Collovati

Wenn Italiener vom „grande casino“ (großes Theater) sprechen, dann meinen sie nicht selten die Politik. Derzeit läuft auf der römischen Bühne ein Schmierentheater nach dem Motto „Italien sucht den Staatspräsidenten“. Gewählt wird das neue Oberhaupt am 24. Januar von den beiden Parlamentskammern. Das Wahlrecht ist kompliziert, die Mehrheitsverhältnisse unklar. Festzustehen scheint bisher nur, daß Amtsinhaber Sergio Mattarella auf eine weitere Amtszeit verzichten will. Aber ganz sicher ist selbst das nicht mehr. Die Tageszeitung La Stampa blickte unlängst auf das Jahr 1971 zurück, als Giovanni Leone 23 Wahlgänge benötigte, um gewählt zu werden. Der Corriere della Sera prophezeite gar, es sei einfacher, die Fußball-Ergebnisse des Wochenendes vorherzusagen, als den Ausgang der Wahl.

 In den ersten drei Wahlgängen braucht es die Zweidrittelmehrheit von 673 Stimmen, vom vierten Wahlgang an genügt die absolute Mehrheit, das sind 505 Stimmen. Aussichten, die Mehrheit im ersten Wahlgang zu erreichen, hätte eigentlich nur der amtierende Premierminister Mario Draghi. Der Ex-Präsident der Europäischen Zentralbank regiert seit knapp einem Jahr, weil sich Staatschef Mattarella geweigert hatte, nach dem Scheitern der „Populisten“-Koalition aus der rechten Lega und der linken Fünf-Sterne-Bewegung Neuwahlen auszurufen. 

Draghi formte ein Allparteien-Bündnis, dem bis auf die rechte Fratelli d’Italia alle Parlamentsgruppen angehören. Die Regierung arbeitet erstaunlich stabil und geräuschlos. Draghi hat sich selbst immer als Übergangspremier gesehen und keinen Hehl daraus gemacht, daß ihn das Präsidentenamt mehr reize. Doch auf Fragen nach seiner Kandidatur hat er bis zuletzt zurückhaltend reagiert. 

Silvio Berlusconi ist da weniger bescheiden. Der 85jährige Ex-Premier hat sich als Kandidat des Mitte-Rechts-Lagers nominieren lassen. Doch ob er gewählt wird, ist keinesfalls sicher. Denn vor allem FDI-Chefin Giorgia Meloni hat wohl Vorbehalte. Und dies aus gutem Grund. 2018 erzielte die Rechtspartei lediglich 4,4 Prozent. Mit 21 Prozent ist sie mittlerweile die stärkste Partei in den Umfragen. 

Daß es im Fall einer Präsidentschaft Draghis zu Neuwahlen kommen wird, gilt als ausgemacht. „Nur er kann die bisherige Koalition zusammenhalten“, kommentierte La Stampa. Dies hätte wohl nicht nur zur Folge, daß die Rechten gestärkt aus dem Urnengang hervorgehen würden, aufgrund einer Wahlrechtsreform wäre auch das Parlament kleiner. Und so umgarnt Berlusconi derzeit vor allem wankelmütige Abgeordnete des Mitte-Links-Lagers mit der Aussicht, im Falle seiner Wahl Draghi im Amt zu belassen.