© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/22 / 14. Januar 2022

Schon das nächste Einhorn auf der Consumer Electronics Show 2022?
Die Blase platzt
Thomas Kirchner

Tim Cook ist jetzt auch Milliardär. Der Nachfolger von Steve Jobs an der Spitze von Apple steigerte den Marktwert des Konzerns seit 2011 um mehr als 1.000 Prozent auf drei Billionen Dollar, die Gewinne noch stärker. Bei solchen Kurssteigerungen übertrumpft der Wert der Aktienoptionen sein Jahresgehalt von drei Millionen Dollar. Auf der Messe Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas suchen Anleger nun die nächste Apple-Erfolgsgeschichte, wenn auch diesmal nur virtuell. Bislang war das einfach: Fast alles, was mit Technologie zu tun hat, brachte saftige Kursgewinne. Dabei brauchten die Firmen nicht einmal Gewinne zu erwirtschaften. Wachstum allein zählte. Vorbild war Amazon, einer der wenigen Überlebenden der im März 2000 geplatzten Dotcom-Blase.

Doch mit seinem Interneteinzelhandel verdiente Amazon noch nie Geld. Die Wende kam mit der „Cloud“. Plötzlich war Expertise im Betrieb weltweit vernetzter Server gefragt. Amazon Web Services (AWS) ist heute der Gewinnbringer. Auch Google schrieb anfangs nur Verluste, bis jemand auf die Idee kam, Werbung zu schalten, die zu den jeweiligen Suchbegriffen paßt. Facebook hatte eine Milliardenbewertung, als es noch Hunderte Millionen Jahresverlust verbuchte. Solange Zinsen bei null oder gar negativ sind, haben Anleger viel Geduld, verlustbringende Geschäftsmodelle zu finanzieren, die schnell wachsen.

An der Börse tummeln sich deshalb zuhauf Tech-Firmen im Milliardenwert, die gewaltige Verluste einbringen, aber schnell wachsen. Seit sich abzeichnet, daß die US-Zentralbank Fed ihre Zinsen erhöhen wird, sieht es für solche Firmen schlecht aus. Seit den Höchstkursen im März 2021 haben Aktien wie Square, Roku, Delivery Hero oder Palantir ein bis zwei Drittel ihres Marktwertes eingebüßt. Das sind jeweils zweistellige Dollar-Milliarden. Chinesische Tech-Aktien waren Vorreiter der Korrektur, seit Präsident Xi Jinping 2020 Technologieunternehmer, die der Clique um seinen Vorgänger Jiang Zemin nahestanden, verschwinden ließ. Alibaba ist seitdem um fast 60 Prozent gefallen. Apple oder Microsoft sind von der Kurskorrektur bisher nicht betroffen. Auch Tesla steht nur knapp unterhalb seiner Höchstkurse, doch ist die Bewertung so abstrus, daß eine Korrektur vorhersehbar ist. Der Leerverkäufer Fraser Perring, der sich mit der Enttarnung des Wirecard-Betrugs einen Namen machte, kündigte öffentlich an, auf fallende Tesla-Kurse zu setzen.

Das Platzen der Dotcom-Blase 2.0 ist in vollem Gang. Kleineren Firmen mit fragwürdigen Geschäftsmodellen, die über Mantelgesellschaften (SPAC; JF 10/21) an die Börse gegangen sind, wird das Geld bald ausgehen. Die „Unicorns“ (Einhörner), Neugründungen mit Milliardenbewertung, werden noch Finanzierungsrunden mit hoher Verwässerung schaffen. Bleiben dann immer noch Gewinne aus, kommt auch bei den Einhörnern die Pleite. Betrügereien à la Wirecard werden ans Tageslicht kommen. Auch profitable Firmen werden ihre Bewertungen schrumpfen sehen.

Corona hat Videokonferenzen und den Onlinehandel befeuert – die daraus resultierenden Gewinnchancen sind eine ganz andere Frage. Die CES bot einen Einblick in künftige Trends, aber nicht jede Idee bringt Milliardengewinne. Netscape, der Erfinder des Internetbrowsers, ist das abschreckende Beispiel. Um wie Apple langfristig Erfolg zu haben, muß man echte Gewinne erwirtschaften – im Geschäftsjahr 2021 waren das 94,68 Milliarden Dollar.