© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/22 / 14. Januar 2022

Frauenfeinde beherrschen den Literaturbetrieb
Kultur der Misogynie
(dg)

In einer 2018 publizierten Studie zum Thema „Frauen erzählen“ haben Rostocker Sozialwissenschaftler 2.000 Rezensionen aus 69 deutschen Medien (Print, Hörfunk, Fernsehen) ausgewertet und dokumentiert, daß Bücher von Männern doppelt so häufig besprochen werden wie die von Frauen. Seitdem diese Studie bekannt ist, so folgert die Göttinger Literaturwissenschaftlerin und gelernte Verlagsbuchhändlerin Nicole Seifert (50), könne niemand mehr bestreiten, daß es im „Literaturbetrieb eine strukturell nachweisbare, geschlechterbezogene Voreingenommenheit“ gebe. Die präge auch Verlagsprogramme. Dabei zeige sich eine deutliche Tendenz: Je höher das literarische Prestige eines Verlages, desto mehr setze er auf Männer im Programm. Also stammen aktuell nur 22 Prozent der belletristischen Werke des Hanser Verlages von Frauen, bei S. Fischer sind es 27, bei Kiepenheuer & Witsch 33, und eher bescheidene 36 Prozent genügen dem Berliner Suhrkamp Verlag, um als frauenfreundlicher Branchenführer zu glänzen. Die „männliche Rezeptionsignoranz“, speziell gegenüber Romanen von Frauen, die über Frauen handeln, gehe so weit, daß die Kritikerriege nicht einmal „vor persönlichen Angriffen übelster Sorte“ zurückschrecke. Und je erfolgreicher Autorinnen seien, desto schärfer fielen Attacken aus, die die patriarchalische Ordnung verteidigten. Solche Verrisse gründeten daher nicht in der schlechten Qualität von Texten, die Frauen benachteiligende „gesellschaftliche Mißstände“ aufzeigen, sondern in „unterschwelligen Ressentiments“, die typisch seien für eine „Kultur der Misogynie“ (Blätter für deutsche und internationale Politik, 12/2021). 


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