© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/22 / 14. Januar 2022

Umwelt
Veganer im Speisewagen
Paul Leonhard

Bahnfahren war 2021 spannend wie nie: Im Schnitt kamen nur 75,2 Prozent der Fernzüge „pünktlich“ an – sprich: mit maximal sechs Minuten Verspätung. Im ersten Corona-Jahr waren es noch 82 Prozent gewesen. Für Schweizer oder Japaner wäre das undenkbar, aber Deutsche halten das für normal. Und der DB-Konzern hat auch ganz andere Sorgen, denn die Nachfrage nach pflanzlichem Milchersatz ist offenbar gestiegen. Doch in den ICEs gab es bislang Kuhmilch zum fair gehandelten Kaffee. „Das geht gar nicht“, protestierte beispielsweise Gundula Sunda aus Hoffenheim in einem im DB-Magazin Mobil veröffentlichten Beschwerdebrief: „Warum bietet die Bahn zum Beispiel keine Hafermilch an?“ Andere dürften Soja-, Kokos-, Hanf-, Reis- oder Mandeldrink vermissen. Daß all das gar keine „Milch“ ist, traut sich die woke DB nicht zu sagen. Sie verweist auf die räumliche Begrenzung in ihren 450 rollenden „Bordbistros/-restaurants“.

Die Deutsche Bahn AG hat zu Jahresbeginn einen Großversuch mit Milchalternativen gestartet.

Doch das Gemecker hielt an. Denn andere jammerten, daß in den Buffet- oder Speisewagen die „2G-Regel“ gilt und die „Mitarbeitenden“ den Impf- oder Genesenden-Nachweis peinlichst genau prüfen. Andere schimpften, weil sie die FFP2-Maske aufbehalten sollten, nur weil dem Kellner die maskenfreie Verzehrpause zu lang erschien. Manchen schmeckte das nachhaltige Mineralwasser nicht, obwohl die bundeseigene DB AG für jede gekaufte Flasche einen Tag Trinkwasser an einen Menschen in Not spendet. Doch nun tut sie auch etwas für die Veganer in Not: Ein Großversuch mit Milchalternativen wurde zu Jahresbeginn gestartet. So will die Bahn herauskriegen, wie groß das Angebot sein muß, „damit es sowohl die Wünsche der Kund:innen erfüllt als auch die logistische Durchführbarkeit ermöglicht“. Für die deutschen Milchbauern gibt es also noch eine Galgenfrist. Allerdings schreibt Uwe Pütz in seinem mehrseitigen Recherechebeitrag im selben Mobil-Magazin unter der Überschrift „Die passende Alternative. Auf der Suche nach der perfekten Milch“ verblüffend ehrlich: Pflanzendrinks könnten die bessere Milch sein, wäre da nicht die eine große Hürde: der Geschmack.