© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Kürzungen für die deutsche Volksgruppe
Deutsche sind keine Gänse
Christian Rudolf

Vor zwei Jahren machte auf Twitter eine Quatsch-Meldung die Runde, daß die sozialkonservative, bisweilen nationalistische PiS-Regierung überlege, den Fremdsprachenunterricht überhaupt zu verbieten. Der ehemalige Außenminister Radosław Sikorski twitterte dazu launig: „Ganz recht. Mögen die Nationen der Welt wissen, daß Polen keine Gänse sind, daß sie ihre eigene Sprache haben“ – ein geflügeltes und jedem Schüler geläufiges Wort des Renaissance-Dichters Mikołaj Rej, der als Vater der polnischsprachigen Literatur gilt. 

Mit den jüngst im Parlament beschlossenen Kürzungen im Bildungssektor will Warschau aber offenbar aus den in Polen siedelnden Deutschen Gänse machen, die keine eigene Sprache mehr haben sollen. Einen anderen Schluß lassen die Kürzungen schlechterdings nicht zu. Denn sie zielen darauf, für die rund 50.000 Schüler aus der deutschen Volksgruppe den Unterricht in der Muttersprache so stark zu verringern, daß er in der Praxis nicht mehr stattfinden kann. Genauso haben chauvinistische Scharfmacher wie Bildungsminister Przemysław Czarnek und der Abgeordnete Janusz Kowalski ihr Vorhaben auch kommuniziert. Der deutschstämmige Sejm-Abgeordnete Richard Galla sprach davon, die Regierung wolle die Kinder der Minderheit als Geiseln nehmen, um die Auslands­polen bei uns zu privilegieren. Doch die angebliche Asymmetrie in den Beziehungen ist eine fixe Idee unverbesserlicher polnischer Aufwiegler. Fallen wir nicht darauf rein.