© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Aufgeschnappt
Geschichtsstunde ohne Monarchen
Matthias Bäkermann

Zuletzt trat Württembergs König Wilhelm I. zusammen mit seiner Frau Katharina vor drei Jahren in Erscheinung. In Biedermeierkleidung erinnerte das von Schauspielern dargestellte Königspaar zusammen mit Enkel König Wilhelm II., der vor hundert Jahren das Stuttgarter Schloß räumen mußte, an das seit 1818 staatfindende Volksfest in Cannstatt bei Stuttgart, mit dem seinerzeit die Überwindung der Hungerjahre „ohne Sommer“ gefeiert wurde. Für den Linkspartei-Politiker Hannes Rockenbauch haben diese kostümierten Auftritte einen unerträglich „befürwortenden Charakter“. Deshalb machte er sich für „eine klare Distanzierung zur zum Glück überwundenen Monarchie“ stark. Die nach zwei Jahren pandemiebedingter Ausfälle gebeutelten Veranstalter waren nun derart eingeschüchtert und um staatliche Fördermittel besorgt, daß sie die Forderung des Lokalpolitikers für das „175. Historische Cannstätter Volksfest“ umgehend umsetzten. Im September 2022 wird es keine gekrönten Häupter im Kostüm mehr geben. Die vordem engagierte Schauspielerin Sabine Schief kritisierte vergangenen Montag in den Göppinger Kreisnachrichten die Absage: „Wir haben doch nicht die Monarchie hochleben lassen, sondern Geschichte vermittelt.“