© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Ländersache: Rheinland-Pfalz
Folgenschweres Versehen
Christian Schreiber

Als während der aufkommenden Corona-Pandemie nach Lösungen gesucht wurde, um gastronomische Betriebe offen zu lassen und Veranstaltungen ermöglichen zu können, kam die Luca-App ins Spiel. Bei dieser müssen sich die Nutzer mittels eines QR-Codes für die Dauer ihres Aufenthalts an einem bestimmten Ort einwählen. Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes wurden in aller Regel beiseite gewischt. 

Doch nun sorgte ein Vorfall in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz für Aufsehen. Örtliche Polizeibehörden haben bei Ermittlungen zu einem Sturz mit Todesfolge ohne rechtliche Grundlage auf Daten der Luca-App zugegriffen. Wie der SWR berichtete, wurden mittels der Datenabfrage Besucher einer Gaststätte in der Mainzer Innenstadt ausfindig gemacht, um sie als mögliche Zeugen eines tödlichen Zwischenfalls befragen zu können. Ein Besucher war Ende November nach dem Verlassen der Gaststätte offenbar so gestürzt, daß er einige Tage später aufgrund seiner Verletzungen starb. Die Polizei hatte anschließend mit einem öffentlichen Aufruf nach Zeugen gesucht, die Resonanz sei aber gering gewesen. Eine Mitarbeiterin des Gastronomiebetriebs erklärte gegenüber dem Südwestrundfunk, daß sie nach dem Vorfall von der Polizei aktiv nach Daten aus der Luca-App gefragt wurde. Polizei und Staatsanwaltschaften blitzen beim App-Betreiber jedoch stets ab, betont das Unternehmen. Wenig später sei die Gastronomin dann via App gefragt worden, ob sie einer Herausgabe der Daten an das Gesundheitsamt zustimmen würde. Diese Zustimmung habe sie erteilt – in der Annahme, es handle sich um einen Corona-Fall. Wenig später habe ein Gast jedoch Besuch von der Polizei erhalten. Die Mainzer Staatsanwaltschaft hat mittlerweile eingeräumt, daß der Zugriff auf die Luca-Daten unrechtmäßig war. Der Vorgang wird nun von der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz geprüft.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz, Dieter Kugelmann, zeigte sich irritiert über das Vorgehen. Es seien umgehend aufsichtsrechtliche Verfahren eingeleitet worden. „Ich möchte insbesondere die Umstände geklärt wissen, welche ungeachtet der eindeutigen Rechtslage zu der datenschutzrechtlich unzulässigen Abfrage und Nutzung der ausschließlich zu Infektionsschutzzwecken erfaßten Kontaktdaten geführt haben“, teilte er mit. Die Datennutzung der App ist aus datenschutzrechtlichen Gründen für die Strafverfolgung unzulässig. Auch die Landesregierung Rheinland-Pfalz wirbt auf ihrer Website ausdrücklich damit, daß die anhand der Luca-App gewonnenen Daten nicht für die Strafverfolgung verwendet würden. Dennoch war der Vorfall in Mainz offenbar kein Einzelfall. Auch in Ludwigshafen und im Südwestpfalzkreis habe es entsprechende Versuche gegeben, dies sei aber von der jeweiligen Kreisverwaltung abgelehnt worden. 

Die Mainzer Staatsanwaltschaft hat mittlerweile den Fehler eingeräumt und um Verzeihung gebeten. Man habe bereits den Datenschutzbeauftragten der Behörde informiert. Die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft würden hinsichtlich der Rechtslage sensibilisiert. Der Vorfall sei aufgrund einer falschen Interpretation der Rechtsverordnung passiert.