© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Brandherd in Bremen
Linksextremismus: Nach den jüngsten Anschlägen warnen Sicherheitsbehörden davor, die Szene könnte sich weiter radikalisieren
Paul Leonhard

Einrichtungen der Polizei und der Bundeswehr, aber auch der Wirtschaft sind in der Freien und Hansestadt Bremen seit Monaten beliebte Ziele für linksextremistische Anschläge. Vorläufiger Höhepunkt der Gewalt war in der Neujahrsnacht ein Angriff auf ein Gebäude des Raumfahrtunternehmens „Orbitale Hochtechnologie Bremen“ (OHB) nahe der Universität, bei dem Unbekannte Scheiben einwarfen und anschließend mit mehreren Brandsätzen für einen Schaden von mehr als einer Million Euro sorgten (JF 2/22). Dabei nahmen die Täter bewußt in Kauf, im Gebäude befindliche Menschen zu gefährden. 

Trotzdem benötigte die Bremer Politik beinahe zwei Wochen, um den Ernst der Lage zu begreifen. Dann räumte Thomas vom Bruch (CDU), Vorsitzender der Innendeputation in der Bürgerschaft, also dem Innenausschuß des Landesparlaments, ein: „Wir befinden uns am Rande einer terroristischen Lage.“ Nachdem sich am 4. Januar eine Gruppe „Autonome Antimilitarist:innen“ auf der linksextremistischen Internet-Plattform „Indymedia“ in einem  Bekennerschreiben zu dem Attentat bekannte, stuften die Sicherheitsbehörden diese als „kriminelle Vereinigung“ ein. Statt der bereits bestehenden zeitweiligen Ermittlungsgruppe „Feuer“ soll sich nun eine Sonderkommission dauerhaft mit dem Phänomen linksextremistische Gewalt im Stadtstaat beschäftigen und die bisher – so Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) – „erschreckend niedrige Aufklärungsquote“ aufbessern. Dabei soll mit den Verfassungsschutzbehörden kooperiert werden.

Wahrscheinlich ist eine erneute Eskalation der Gewalt

Deren Präsident, Dierk Schittkowski, spricht allerdings von einer „bemerkenswerten Abnahme der Taten“ der Linksextremisten 2020. Während Polizeipräsident Dirk Fasse 75 Taten kennt, gehen aus Schittkowskis „vorläufigen Zahlen“ lediglich 26 Vorfälle hervor. Für 2018 listet der Verfassungsschutzbericht zehn Anschläge auf, für 2019 33 und für 2020 51.

Daß die Gewalt eskaliert und das Ausmaß der Schäden ansteigt, gibt auch der Chef des Verfassungsschutzes zu. In Kleinstgruppen organisierte Linksextremisten würden die Anschläge sehr professionell planen und durchführen, so daß die Täter unentdeckt bleiben, aber einen empfindlichen Schaden hinterlassen. Es sei „insbesondere ein besonderer Grad an Radikalisierung, der uns zunehmend besorgt“. Er rechne damit, daß sich die Eskalation der Gewalt 2022 eher steigert und fortsetzt, als daß eine Beruhigung einkehrt.

Dem Raumfahrtunternehmen OHB werfen die Linksextremisten vor, als „Rüstungskonzern“  Satellitensysteme zur Erdbeobachtung für militärische Zwecke zu bauen und zu verkaufen sowie dazu beizutragen, daß mit deutscher Technik die Grenzen der „Festung Europa“ gesichert werden.

Der Anschlag in der Silvesternacht war nicht der erste auf die Firma. Bereits 2018 war ein OHB-Container in Brand gesetzt und Mitte vergangenen Novembers waren mehrere Brandsätze plaziert worden, die sich allerdings nicht entzündeten und entschärft werden konnten.

Eine lange Serie von Anschlägen, „die wir der linksradikalen Szene zuordnen“, darunter in den letzten zwölf Monaten neun Brandanschläge, bestätigt Innensenator Mäurer gegenüber der Bild-Zeitung. Die neue Soko werde dazu beitragen, „linksextremistische Straftaten und Strukturen noch effizienter zu erkennen und die Täter zu überführen“.

Während Mäurer auf Ermittlungsdruck setzt, favorisiert Verfassungsschutzchef Schittkowski Studien. Ob er mit deren Erstellung auch die Universität Bremen beauftragt, ist unbekannt. Diese gilt zumindest der FDP-Politikerin Birgit Bergmann als „Nährboden“ linker Gewalt in Bremen. Denn die Uni verlinke weiterhin auf die Internetseite des AStA, auf der es heißt, die Polizei sei „eine rassistische, nationalistische und sozialchauvinistische Institution“.