© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Zeitgeistige Qualifikationen in der amerikanischen Geldpolitik
Mit Diversität gegen Inflation
Thomas Kirchner

Zwei Frauen, eine davon eine Afroamerikanerin, sowie einen schwarzen Mann nominierte Joe Biden als neue Fed-Gouverneure. Jetzt muß die US-Zentralbank beweisen, ob Diversität etwas gegen die steigende Inflation ausrichten kann. Denn die lag im Dezember bei sieben Prozent – so hoch wie zuletzt 1982. Und das, obwohl Spritpreise im Dezember sogar leicht gefallen sind. Preistreiber waren Autos, Mieten und Rohstoffe – die vom deutschen Agrarminister Cem Özdemir geforderten höheren Lebensmittelpreise sind in Amerika längst da. Der Preis von Mais, Soja- und Kaffeebohnen hat sich in 18 Monaten verdoppelt. Von vorübergehenden Preissteigerungen ist keine Rede mehr, auch wenn Lieferengpässe sich wegen coronabedingter Schließungen chinesischer Häfen sogar weiter verschärfen dürften.

Eine Verringerung der Anleihekaufprogramme der Fed ist bereits im Gang. Die Fed kaufte zeitweise nicht nur alle neu emittierten Hypothekenanleihen, sondern auch ältere. Ähnlich verhielt sich die EZB mit Staatsanleihen. Negativzinsen waren die Folge. Fallen die Anleihekäufe weg, fallen die Kurse und die Zinsen steigen. Hatten Anfang 2021 noch Anleihen in Höhe von 18 Billionen Dollar Negativzinsen, hat sich deren Betrag inzwischen fast halbiert. Halter langlaufender Anleihen haben bereits starke Kursverluste verbucht. Die 2120 fällige hundertjährige österreichische Anleihe ist vom Höchstkurs von 140 Euro im Dezember 2020 auf 86 gefallen, ihre Rendite hat sich von 0,37 auf 1,06 Prozent fast verdreifacht. Da die EZB den größten Teil der Staatsanleihen besitzt, halten sich die Auswirkungen der Kursverluste auf Marktteilnehmer in Grenzen, denn Versicherungen, Pensionsfonds und Banken kaufen längst keine Staatsanleihen mehr. Trotz ihrer dünnen Eigenkapitalausstattung kann die EZB nicht insolvent werden. Anders aber sieht es für die überschuldeten Eurostaaten aus, die sich keine höheren Zinsen leisten können.

Hinzu kommt die „Greenflation“ (Preissteigerungen durch die Energiewende), vor der sogar das EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel warnt. Doch nicht Geldwertstabilität ist jetzt das Ziel der EZB, sondern Vermeidung von Staatspleiten in der Eurozone. Flexibler ist die Fed, die sich auch Erhöhungen der Leitzinsen leisten kann, ohne die Insolvenz der Dollarzone zu riskieren. Das jüngste Fed-Protokoll zeigt: Die Fed sieht das Inflationsziel von zwei Prozent als erreicht. Außerdem läuft der US-Arbeitsmarkt wieder auf Hochtouren – die Fed folgt weiter der Logik der „Phillips-Kurve“ von 1960, wonach niedrige Arbeitslosigkeit inflationär wirkt. Eine Fed-Mehrheit befürwortete Zinserhöhungen schon im Juni dieses Jahres statt erst 2023. Mit den hohen Inflationszahlen melden sich nun einzelne Gouverneure zu Wort, die noch schnellere Zinserhöhungen fordern.

Doch wahrscheinlich ist es schon zu spät, die Inflationsspirale zu bremsen. Nach einem Streik beim Müsli-Konzern Kellogg’s konnte die Gewerkschaft die Gehälter an die Lebenshaltungskosten koppeln. Die Inflationserwartungen sind also längst im öffentlichen Bewußtsein verankert. Und während EZB-Präsidentin Christine La­garde im November noch von vorübergehender Inflation sprach, sahen ihre Untergebenen die Lage schon ganz anders. Die zuständige Gewerkschaft IPSO der EZB-Mitarbeiter verlangte eine kräftigere Gehaltserhöhung: wegen der steigenden Lebenshaltungskosten (JF 49/21). Was zählt das Geschwätz der Chefin, wenn man selbst betroffen ist?