© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

EU-Kommissionschefin will unionsweite Frauenquote für Aufsichtsräte
Lukrative Pöstchen
Albrecht Rothacher

Seit zehn Jahren liegt ein EU-Vorschlag für eine 40prozentige Frauenquote in Aufsichtsräten von börsennotierten Großunternehmen in den Brüsseler Schubladen. Bislang hatte ihn eine qualifizierte Minderheit – Deutschland, die Niederlande, Osteuropäer – blockiert. Sie wollen national angepaßte Regelungen. Nun hofft Kommissionschefin Ursula von der Leyen (bis 2019 CDU-Vize) auf die neue Ampel in Berlin – und eine Mehrheit im frauenbewegten EU-Parlament scheint sicher.

Bei etwa 10.000 zu vergebenden lukrativen Pöstchen ist dies ein Anliegen von Karrieristinnen, die nur 0,005 Prozent der weiblichen EU-Bevölkerung ausmachen. Den Verkäuferinnen, Krankenschwestern oder alleinerziehenden Müttern, die mit ihren Heiz- und Stromkosten zu kämpfen haben, kann die Besetzung der Chef­etagen egal sein. Und sind weiblicher geführte Firmen wirklich profitabler oder innovativer? Dann wären französische Betriebe mit einer Frauenquote von 45 Prozent Weltspitze. Sind sie aber nicht. Die Quote soll „Vielfalt, Flexibilität und Familienfreundlichkeit“ fördern. Für Betriebskindergärten, Heimarbeit, Flexizeit und gesundes Kantinenessen braucht es aber keine Quote. Zweifellos gibt es in der Biologie, dem Verlags- und Gesundheitswesen, den Medien, im Kulturbetrieb, der Textilindustrie oder im Möbeldesign viele hochqualifizierte weibliche Führungskräfte. Doch gibt es auch klassische Männerdomänen, von der Bauwirtschaft über die Chemie, die Energie- und Elektronikbranche bis zum Maschinen- und Schiffbau, wo sich weibliche Führungskräfte mangels Neigung, die sich schon in der Wahl ihrer Studienfächer äußerte, sehr rar machen.

Alle über einen Leisten zu schlagen ist dogmatisch. Wenn schon Regelungen, dann könnte man die Aufsichtsratsbezüge begrenzen. Dann aber machte die Quote keinen Spaß mehr. Und bald droht dann eine Migranten- und Diversifizitätsquote. Und was passiert, wenn sich ein männlicher Vorstand plötzlich als Frau fühlt ? Als das Berlaymont-Gebäude, von der Leyens Führungssitz in Brüssel, in den neunziger Jahren in gefährlicher Kleinarbeit von Asbest befreit werden mußte, da gab es keine Frauenquote. Die schlecht bezahlte und gesundheitsgefährdende Drecksarbeit durften allesamt Männer erledigen, völlig quotenfreie Baukolonnen aus Osteuropa zumeist.