© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Es läßt sich alles bewegen
Mammoet: Ob Brückenbau, die Verschiebung der Tschernobyl-Schutzhülle oder eine schwierige U-Boot-Bergung – kein Problem
Liz Roth

Ein aufmerksames Auge entdeckt immer mal wieder das Logo mit dem grauen Mammut auf rotem Hintergrund, sei es an Kränen auf großen Baustellen oder auf den Autobahnen, wenn ein Schwertransport unterwegs ist. Das ist Mammoet, ein niederländisches Unternehmen, das zu den Pionieren im Transport und Heben von Schwerlasten gehört. Die abgelegensten Orte und das rauheste Klima stellen kein Hindernis für die riesigen Maschinen dar. Mammoet gehört zu den Führenden und Erfahrensten der Branche. Die russische Regierung vertraute ihnen 2001 die Bergung des gesunkenen Atom-U-Boots „Kursk“ an. Über 3.000 Tonnen maßgefertigte Technik kamen zum Einsatz. Auch den Transport über Land einer ausgemusterten Concorde der British Airways von London nach Schottland übernahmen sie. 

Ausgezeichnet für den besten Hebejob 2021

Seit mehr als 200 Jahren ist der Konzern schon im Transportwesen tätig. Die Geschichte begann 1807, als der Unternehmer Jan Goedkoop mit dem Kauf eines 140-Tonnen-Cargo-Schiffes den Grundstein legte. Er hatte erkannt, daß im Zuge der Industriellen Revolution die Nachfrage für Großtransporte massiv ansteigen würde. Mitte des 19. Jahrhunderts erwarben die Gebroeders Goedkoop dann die ersten Schleppschiffe. Bis 1971 lag der Fokus im Transport auf Wasserwegen. Erst die Fusion mit der Firma Van Wezel, die auf Schwerlastentransporte auf Land spezialisiert waren, erweiterte den Wirkungsbereich. Es erfolgte die Umbenennung von Gebroeders Goedkoop in Mammoet. Mittlerweile ist das Unternehmen in 45 Ländern ansässig und hat über 6.200 Mitarbeiter weltweit. 

Außergewöhnliche Einsätze waren neben der Bergung der Kursk in der Barentssee, der Transfer der Emmauskirche von Heuersdorf nach Borna (2007), die schwierige Hebung des 9,5 Tonnen schweren Gold- und Silberschatzes der gesunkenen „Polar Mist“ in der Magellanstraße (Argentinien, 2009), 2012 dann der Bau und die Verschiebung  der neuen Schutzhülle „New Safe Confinement“ des havarierten Kernkraftwerkes von Tschernobyl.

Im Oktober wurde das amerikanische Team von Mammoet auf der Jahreskonferenz der „Specialized Carrier and Rigging Association“ in San Antonio in Texas mit dem Preis für den besten „Hebejob“ in der Projektkategorie 750.000 bis zwei Millionen Dollar des Jahres ausgezeichnet. Diese besondere Anerkennung wurde für außergewöhnliche Leistungen bei der Lösung von Problemen im Montage- und Transportwesen verliehen. 

Mammoet präsentierte den erfolgreichen Abschluß des Transports und Aufbaus der neuesten Erweiterung des internationalen Flughafens von Seattle-Tacoma. Die Niederänder bauten einen erhöhten Fußgängerweg für die zukünftige internationale Ankunftshalle. Die neue Brücke, die Teil der 968 Millionen Dollar teuren Erweiterung des Flughafens ist, ist erst die zweite Fußgängerbrücke der Welt, die so hoch ist, daß eine Boeing 747 darunter hindurchrollen kann. Nach dem Transport in die Position unter den bestehenden V-Pfeilern setzten die Montageteams vier 816 Tonnen schwere Stahlrahmen ein, die mit einem Litzenhebersystem ausgestattet sind. 

Es war das erste Mal, daß diese Rahmen aus den Niederlanden in den Vereinigten Staaten eingesetzt wurden. Mit einer Toleranz von nur wenigen Zentimetern für eine präzise Paßform wurde das Brückentragwerk vorsichtig in seine endgültige Position gehoben, 22 Meter über dem Boden, bevor es verschweißt wurde. Nach fast achtjähriger Planungs-, Entwurfs- und Bauzeit wurde die weltweit längste Fußgängerbrücke (274 Meter) über eine aktive Rollspur eines Flughafens errichtet. .

Travis Wilcox, Mammoet-Projektmanager und Referent auf der Konferenz, berichtet: „Es war mir eine große Ehre, Mammoet zu vertreten und die Auszeichnung Rigging Job of the Year in unserer jeweiligen Kategorie entgegenzunehmen. Die Konkurrenz war groß, doch dies ist ein weiteres Beispiel für die Fähigkeit von Mammoet, erstklassigen Service zu liefern. Ich hatte das große Glück, Teil eines außergewöhnlichen Teams zu sein, das das Projekt zu einem Erfolg gemacht hat. Mein besonderer Dank gilt allen Beteiligten.“

Auch in Deutschland ist Mammoet seit 30 Jahren erfolgreich im Geschäft – vor allem in der Chemieindustrie. Seinen Hauptsitz hat der Konzern in Leuna (Sachsen-Anhalt). Die ortsansässigen Leunawerke waren sowohl bis 1945 mit IG Farben als auch in DDR-Zeiten ein Zentrum der Deutschen Chemieindustrie. Heute haben Firmen wie BASF oder Total noch immer Niederlassungen in Leuna. 

„Unser Kerngeschäft ist die Kombination aus Hebe- und Montagearbeiten, Engineering und den Kranarbeiten“, erklärt der Geschäftsführer Jens Krawczynski im Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung. „Wir haben die schwersten und kompliziertesten Projekte, die man machen kann.“ So sei ein wichtiges Arbeitsfeld gerade der Rückbau der Atomkraftwerke. Auch beim Bau der Dresdener Waldschlößchenbrücke sei sein Unternehmen beteiligt gewesen.

Seinen Ursprung hatte der deutsche Zweig am 16. September 1991, als SEU-M-IMO Kran- und Schwertransporttechnik Leuna aus der Taufe gehoben wurde. Seit 2001 trägt das Unternehmen den Namen Mammoet. Geschäftsführer Krawczynski erklärt, warum sein Unternehmen nicht einfach nur für das Heben zuständig ist.

„Stellen Sie sich vor, Sie wollen in der Raffinerie eine 60 Meter hohe Kolonne mit 700, 800 Tonnen einbauen.“ Da müsse diese vielleicht vom Produktionsort über Meere, Flüsse und Straßen transportiert und dann am Standort noch über diverse Rohrbrücken gehoben werden: „Das muß alles im Vorfeld geplant werden. Deshalb bieten wir Planung, Transport und Hebeleistung aus einer Hand.“ Laut eigenen Angaben konnte Mammoet Erfolg in den vergangenen Jahrensteigern und  seine Position auf dem Markt weiter festigen. Das Ziel ist nun eine Verdopplung des Umsatzes auf 100 Millionen Euro pro Jahr. 

Heute gehört Mammoet laut eigenen Angaben in Deutschland zu den führenden Unternehmen der Schwerlastbranche mit bundesweit über 350 hochqualifizierten Mitarbeitern an insgesamt fünf Standorten. Die Flotte umfaßt 50 Kräne sämtlicher Größenklassen. Raffinerien und große Ingenieurbüros zählen zum festen Kundenstamm. „Mammoet ist in Deutschland nicht nur größer und präsenter geworden, wir haben auch sehr viel spezialisiertes und innovatives Know-how aufgebaut. Diese Entwicklung haben wir unseren Mitarbeitern und Kunden zu verdanken und sie ist eine sehr gute Ausgangsbasis für die erfolgreiche Zukunft unseres Unternehmens“, so der Geschäftsführer. Mammoet zähle zu den Top-100 der innovativsten Unternehmen in Deutschland, die den Wandel als Chance sehen und wurde erst dieses Jahr zum wiederholten Mal ausgezeichnet. 

Mammoet gehört seit 2011 vollständig zu SHV (Steenkolen Handels-Vereeniging). Die niederländische Holding ist einer der größten Privatkonzerne der Welt. In 69 Ländern arbeiten über 55.000 Mitarbeiter in verschiedensten Bereichen von Gas (SHV Energy), Maschinenbau (ERIKS), bis zu Lebensmittelgroßhandel (Makro) und Tiernahrung (Nutreco). Seit 1896 in der Hand der Familie Fentener van Vlissingen, die bereits zu diesem Zeitpunkt erfolgreiche Kohlenhändler waren, ist SHV über ein Jahrhundert immer weiter gewachsen. Erste große innovative Erfolge gab es bereits 1904, als sie einen mechanischen Kohletransporter erfanden. Wenige Jahre später setzten sie mit dem Aufzugtransporter (Hubtransporter) einen weiteren technologischen Meilenstein, der den Abtransport von Kohle revolutionierte. Durch den Erfolg investierte SHV schon vor dem Ersten Weltkrieg in Firmen wie AkzoNobel oder den Flugzeugbauer Fokker. 

Mammoet-Eigner SHV – ein erfolgreicher Familienbetrieb

Auch KLM, eine der ältesten aktiven Fluggesellschaften der Welt, wurde mit Hilfe eines Investments von SHV 1919 gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Entdeckung von Erdgas in den Niederlanden, lag der Fokus auf der Gewinnung des Rohstoffes.  Zur gleichen Zeit begann SHV mit dem Aufbau einer Kette von Abhol-großmärkten. Zusammen mit der deutschen Supermarktkette Metro gründeten sie 1968 das erste Selbstbedienungslagerhaus Makro in Amsterdam.

Das Konzept setzte sich schnell durch, und Makro begann in Zusammenarbeit mit dem Partner Metro in den Niederlanden und später in ganz Europa zu expandieren. Anfang der 1970er Jahre trat Makro auch in den südamerikanischen Markt ein. In den achtziger Jahren war Makro dann ebenfalls in den Vereinigten Staaten vertreten, obwohl SHV 1988 51 Prozent von Makro Inc. an die Kmart Corporation verkaufte. Der Erfolg des Makro-Konzepts ermutigte SHV, sich an anderen Einzelhandelskonzepten zu versuchen. 1970 erwarb SHV die Otto-Reichelt-Kette – die bis Mitte der neunziger Jahre das größte Einzelhandelsunternehmen des Unternehmens sein sollte – sowie die niederländischen Formate Kijkshop und Xenos. Bis heute besitzt SHV über 165 Makro-Filialen in Südamerika. Das europäische Geschäft wurde 1998 komplett an die Metro AG verkauft. 

Nachhaltigkeit steht bei SHV an erster Stelle. Der 2006 verstorbene Eigentümer Paul Fentener van Vlissingen engagierte sich schon in den neunziger Jahren für den Klimaschutz. Bis heute agiert der Konzern nach dem Motto „Mut zur Fürsorge für künftige Generationen“. 

Der Familie gehört eines der größten privaten Anwesen Schottlands. Die eher medienscheue Annemiek Fentener van Vlissingen hält bis heute den Vorstandsvorsitz des Konzerns. Das Vermögen der Familie geht in die Milliarden und Annemiek zählt zu den einflußreichsten Menschen im Land.

 www.mammoet.com

 www.shv.nl

Foto: Schwertransporter mit einem 200 Tonnen Gastank auf der Ladefläche: Eine Lösung finden die Mammoet-Spezialisten fast immer