© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Zeitschriftenkritik: Leibniz
Mit Wölfen leben
Werner Olles

Seit vor 20 Jahren erstmals wieder Wolfswelpen in Deutschland geboren wurden, erobern die Tiere immer neue Lebensräume. Zu Gesicht bekommt man sie jedoch selten. Leibniz, die von der Leibniz-Gemeinschaft herausgegebene Zeitschrift, befaßt sich in ihrer aktuellen Ausgabe (3/2021) mit Menschen, die auf die eine oder andere Weise mit dem Wolf in Kontakt getreten sind. Der Schäfer in der Lausitz sieht seinen Berufsstand durch den Wolf gespalten. Seit 15 Jahren hatte er nur einen Wolfsriß zu beklagen, weil er mit intakten Elektrozäunen, fünf Hütehunden und 22 Pyrenäenhunden „massiv aufgerüstet“ habe. Pro Herde setzt er 24 Stunden am Tag acht Hunde ein. Dennoch empfindet er den Wolf nicht als Belastung, sondern habe gelernt, mit ihm zu leben, während die Politik mit seiner Rückkehr nach Deutschland nicht umgehen könne. Nur wenn Wölfe den erhöhten Schutz ständig ignorierten, sei eine „Entnahme“ gerechtfertigt. So suchten sie in ihrer Umgebung immer wieder ihre Chance, doch zögen sie es vor, sich nicht mit den Herdenschutzhunden anzulegen.

Der Naturschutzgenetiker Carsten Nowak bestreitet nicht die potentielle Gefährlichkeit der Tiere, doch habe es hierzulande noch keinen Angriff auf einen Menschen gegeben. Statistisch gesehen seien Wildschweine oder Hunde gefährlicher. Die Biologin Gesa Kluth ist für das Wolfsmonitoring in Sachsen und Brandenburg zuständig und plädiert für einen gesetzlichen Schutz der Tiere, die in den Wäldern und großen Agrarflächen ausreichend Beutetiere wie Rehe, Rothirsche und Wildschweine fänden. Dieser Ansicht ist auch die Veterinärpathologin Claudia Szentiks, da „der große Jäger“ helfe, die Wildbestände gesund zu halten. Es sei wichtig, die Bevölkerung auf das Leben mit dem Wolf vorzubereiten, auch wenn die meisten ihn nie zu sehen bekämen. Im übrigen würden in Deutschland Wölfe vor allem durch den Menschen sterben, drei Viertel seien Verkehrsopfer und elf Prozent fielen illegaler Tötung zum Opfer.

Um Raum und Räume geht auch in dem Beitrag „Neue Platte“ von Stefanie Hardick. Als größtes Relikt der DDR wurde die „Platte“ nach der Wende oft abgehängt und zurückgebaut. Seit 2014 erwachten die Viertel jedoch zu neuem Leben durch den Zuzug von Asylanten, Flüchtlingen und Zuwanderern. Ob allerdings solche Projekte die zugrunde liegenden ethnischen und sozialen Probleme lösen, ist eine offene Frage. Daher nehmen die Forscher des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung jetzt drei Großwohnsiedlungen in Halle, Cottbus und Schwerin bis April 2022 in den Blick.

Weitere Beiträge befassen sich mit der „Erfindung des Kosmos“ (Matthias Schwartz) und der Tesla-Fabrik in Grünheide (Tobias Asmuth).

Kontakt: Leibniz-Gemeinschaft, Chausseestr. 111, 10115 Berlin. Das Abo ist kostenlos.

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