© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Thalers Streifzüge
Thorsten Thaler

Weite Teile eines ruhigen Wochenendes mit klassischer Musik zu verbringen, ist in diesen wirren, enervierenden Zeiten sicher nicht die schlechteste Idee. Nach einem ausgedehnten Selbstversuch empfehle ich dafür die jüngste Veröffentlichung der italienischen Opernsängerin Cecilia Bartoli mit dem Titel „Unreleased“. Das Album enthält sieben Gesangsszenen von Beethoven, Mozart und Haydn sowie eine Arie des weniger bekannten böhmischen Komponisten Josef Mysliveček. Alle Stücke entstanden in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zwischen 1773 und 1796. Aufgenommen hat sie die Bartoli bereits im Herbst 2013 mit dem Kammerorchester Basel unter der Leitung des chinesischen Dirigenten Muhai Tang. Im Beiheft schreibt die Sängerin dazu, daß sie sich während der Einschränkungen in der Pandemiezeit „um Unerledigtes, Aufgeschobenes oder Vergessenes“ kümmern konnte, ihr Tonarchiv durchforstet und nach „verborgenen Schätzen“ gesucht habe. Dabei seien diese wiederentdeckten Kleinode zum Vorschein gekommen. Tatsächlich ist Bartolis Vortragsweise der Rezitative und Arien überwältigend. Bravourös bringt sie die wechselhaften Stimmungen und Seelenzustände von Schmerz und Trauer über Zorn bis Verzückung zum Ausdruck. Den bunten Reigen eröffnet Beethovens „Ah! perfido … Per pietà, non dirmi addio!“, uraufgeführt in Leipzig mit der tschechischen Sopranistin Josepha Duschek. Die zu ihrer Zeit bewunderte Sängerin war auch mit Mozart befreundet, der für sie die Stücke „Ah, lo previdi“ und „Bella mia fiamma ... Resta, o cara“ komponierte; beide sind ebenfalls auf der CD zu hören. Den Abschluß bildet Joseph Haydns Szene „Berenice, che fai?“, komponiert für die berühmte italienische Opernsängerin Brigida Banti und uraufgeführt in London. Meisterlich, wie die Bartoli die letzten Arie singt: „Warum, ihr, die ihr so mächtig seid,/ Daß ihr mich irrereden laßt,/ Warum tötet ihr mich nicht,/ Ihr Qualen meines Herzens?“

Die jüngste Werbekampagne der Kindernothilfe grenzt an einen dreisten wie dämlichen Erpressungsversuch.

Allen heutigen Fernsehgewaltigen der Unterhaltungsbranche und dünngeistigen Entertainern ins Stammbuch geschrieben: „Ich habe nie Quoten geliefert, immer nur Qualität.“ (Harald Schmidt in einem Interview mit den Neuen Zürcher Zeitung am 3. Januar).

„Nichts ist widerwärtiger als die Majorität.“ (Johann Wolfgang von Goethe in „Wilhelm Meisters Wanderjahre“)

Die Kindernothilfe, 1959 als „Aktion Hungernde“ in Duisburg gegründet, ist ohne Zweifel eine seriöse gemeinnützige Spendenorganisation. Sie kümmert sich um notleidende Kinder in Asien, Afrika und Lateinamerika. Seit 30 Jahren erhält sie dafür das Spendensiegel des Deutschen Zentral-instituts für soziale Fragen. Ihre jüngste Werbekampagne grenzt jedoch an einen gleichermaßen dreisten wie dämlichen Erpressungsversuch. So ist auf riesigen Werbetafeln im Stadtgebiet zu lesen: „Du fährst im SUV Brötchen holen. #DeinGrundZuSpenden“ Oder auch: „Du hast deinen Enkeln dieses Klima eingebrockt. #DeinGrundZuSpenden“.