© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Ein Oberlausitzer Granitschädel
Der Medizinprofessor, Erfinder, erfolgreiche Unternehmer und Mäzen Winfried Stöcker wird 75
Paul Leonhard

Winfried Stöcker gehört das nach dem Bürgertheater – der „kleinen Semperoper“, wie es liebevoll genannt wird – schönste Gebäude in Görlitz: das im Jugendstil errichtete Kaufhaus. Und das hat eine bewegte Geschichte. 1913 eröffnet, wurde es 1929 von Karstadt übernommen und nach dem Zweiten Weltkrieg enteignet. Zu DDR-Zeiten war es ein staatliches Centrum-Warenhaus, das die sozialistische Mangelwirtschaft immer weniger kaschieren konnte. Mit der Wiedervereinigung an Karstadt zurückgegeben und Einkaufsmagnet für Kunden aus dem polnischen Stadtteil östlich der Neiße (Zgorzelec), ging es 2005 an die britische Dawnay Day Group. Doch der Betrieb unter dem Namen „Hertie“ währte nur bis 2009 – die Weltfinanzkrise und das geänderte Einkaufsverhalten brachten die Insolvenz.

Anfang 2013 wegen seines beeindruckenden Ambientes Kulisse des Hollywood-Films „The Grand Budapest Hotel“, kaufte Stöcker im selben Jahr das leerstehende Gebäude. Doch die Reanimation mit modernem Konzept ist schwierig: Die Einwohnerzahl von Görlitz fiel von 77.000 (1989) auf heute 46.000. Es fehlt ein großes Parkhaus, es gibt Streit um den Abriß von zwei denkmalgeschützten, aber verwahrlosten Villen, die ein linker „soziokultureller Treffpunkt“ waren. Nur ein Modehaus am nahen Postplatz erfreut sich bei polnischen Kundinnen wachsender Beliebtheit. Und dann kam Corona – der Todesstoß für den Einzelhandel nicht nur in Deutschland. Dennoch will Stöcker nicht aufgeben – warum?

Gesellschaftliches Engagement ist für ihn eine Selbstverständlichkeit

Der Mediziner und Mäzen Winfried Stöcker zählt zu jenen unabhängigen Unternehmern, die Deutschland mit ihren Ideen, Patenten und ihrer Risikobereitschaft einst zum führenden Industrieland der Welt gemacht haben, bevor der Wohlstand auch eine Bürokratie schuf, die es immer schwerer macht, Innovationen umzusetzen. Am 23. Januar 1947, als Winfried Alexander Stöcker in Rennersdorf, einer Gemeinde 25 Kilometer von Görlitz entfernt geboren worden, hätte sein Lebensweg auch anders verlaufen können. Doch seine Familie verläßt 1960 noch rechtzeitig vor dem Mauerbau die DDR. Aber diese 13 Jahre in einer von christlicher Toleranz und tief verwurzelter Heimatliebe geprägten Region reichen aus, um ihn zu einem typisch Oberlausitzer Granitschädel werden zu lassen.

In Pegnitz bei Bayreuth Abitur gemacht, studiert er in Würzburg Medizin und wird 1976 Stabsarzt und Kompaniechef bei der Luftwaffe. An der Universität Lübeck spezialisiert er sich auf Laboratoriumsmedizin, leitet ein von ihm begründetes Labor für Autoimmundiagnostik und ist als Oberarzt für Transfusionsmedizin tätig, bevor er 1987 die Euroimmun, eine Firma für Labordiagnostik, gründet, die innerhalb von 30 Jahren auf über 2.500 Mitarbeiter anwächst – mit Niederlassungen in Europa, Asien und Amerika und einem dreistelligen Millionenumsatz. Als passionierter Erfinder meldet er in seinem Fachbereich zahlreiche Patente an, ohne die die heutige Labormedizin undenkbar wäre.

Mit 70 Jahren verkauft er nach einem erfolgreichen Unternehmerleben Euroimmun für geschätzt 1,2 Milliarden Euro an den 1937 gegründeten Konkurrenten Perkin-Elmer aus Waltham (Massachusetts), der in 150 Ländern einen Umsatz von 3,8 Milliarden Dollar macht – die Euroimmun-Beschäftigten müssen sich also keine Sorgen um ihre Zukunft machen. Zum Verkaufszeitpunkt ist er bereits ein Jahr Eigentümer des Flughafens Lübeck – und rettet diesen so vor dem endgültigen Aus. Gesellschaftliches Engagement gehört für einen Mann wie Stöcker zu den Selbstverständlichkeiten – wenn es denn mit seinen eigenen Werten übereinstimmt. Und Stöcker knickt dabei auch nicht vor Autoritäten und dem Zeitgeist ein: Eine kritische Erklärung zur „Willkommenspolitik“ von Angela Merkel unterzeichnet er 2015 als „Prof. Prof. h.c. Dr. Winfried Stöcker – kein Fremdenfeind oder Rassist, sondern Philanthrop, noch bei Verstand, dem die Narretei der Kanzlerin wie Millionen anderen den Schlaf raubt“. Zu diesem Zeitpunkt wird Stöcker, dessen Frau Chinesin ist, von den Leitmedien bereits als Fremdenfeind verleumdet, weil er ein Benefizkonzert eines „Willkommensbündnisses“, das in seinem Görlitzer Kaufhaus stattfinden sollte, mit dem Argument untersagt, er wolle nicht den „Mißbrauch des Asylrechts“ unterstützen.

Der offene Haß, der Stöcker seither entgegenschlägt, ist für ihn ein Schock. Einst als Vorzeigeunternehmer gefeiert, dessen Lübecker Betrieb „allen Anforderungen eines modernen Wohlfühl­unternehmens mit angeschlossenem Kindergarten“ genügt, wird ihm vom kommunalen CDU-Fraktionschef geraten, sich auf seinen „geistigen Zustand“ untersuchen zu lassen. Die Lübecker Studentenvertretung fordert von der Hochschulleitung, Stöcker die ihm 2011 verliehene Professur zu entziehen. Doch das geht nicht, denn „angesichts der sehr hohen beamtenrechtlichen Maßstäbe und auch in Abwägung mit der grundgesetzlich verbürgten Meinungsfreiheit hat die juristische Prüfung ergeben, daß keine Gründe vorliegen, die einen Titelentzug ermöglichen“.

Doch Stöcker leidet weiter an der Politik einer Kanzlerin, die „um sich keine Feinde zu machen, jeder Torheit folgt, anstelle eigenständig Deutschlands Zukunft schöpferisch zu gestalten und lohnende Ziele anzusteuern“. Auf einer Dienstreise in den USA beklagt er, daß dort die modernen Technologien aufgegriffen und genutzt werden, während „man in Deutschland die Chancen verspielt und unsere Begabung für Spitzenforschung brachliegen läßt“. Als Beispiele nennt er Verkehrsprojekte wie die Magnetschwebebahn Transrapid oder das abgebrochene Überschall-Passagierflugzeug-Projekt „Sänger“ und „die äußerst lukrative rote und grüne Gentechnik, mit der man in Kalifornien jedes Jahr Hunderte Milliarden Dollar verdient“ – all das werde in Deutschland verteufelt und ausgebremst. Um klare Worte ist Stöcker, von 2016 bis 2020 FDP-Mitglied, nicht verlegen, auch wenn „manche unserer Gegner es sich nicht verkneifen können, uns in der Zuwanderungsdiskussion in die rechte Ecke zu rücken, nur weil wir im Zusammenhang mit der Zuwanderung auf die Gefahr von Parallelgesellschaften aufmerksam machen“. Für Stöcker ist das der „Gipfel der Verlogenheit“.

Auch bei Gegenwind weiterhin Mut zu klaren Worten und Taten

Als er schließlich auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie einen in seinem Labor entwickelten Impfstoff mit einem spezifischen Peptid-Antigen vorstellt, den er im Selbstversuch getestet hat und mit dem er nun möglichst schnell möglichst viele Menschen impfen möchte, lernt er die Wut der Institutionen erst richtig kennen. Und das, obwohl sich bei nur zehn Prozent der Patienten lediglich eine schwache Impfreaktion gezeigt hatte. Weit weniger als bei Biontech oder Moderna, so Stöcker (JF 13/21). Doch jetzt kennt die gegen ihn gerichtete Negativkampagne keine Grenzen mehr. Zumal bekannt wird, daß er der AfD 20.000 Euro gespendet hat. Da hilft auch nicht die Versicherung, er spende immer „nach aktueller Gemütslage“, und die AfD habe viele gute Ansichten, verbreite aber „auch einige schlechte“. Für den Spiegel ist er dennoch der „rechtspopulistische Arzt“.

Trotz der Schmähungen, einer Anzeige durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und Ermittlungen mehrerer Staatsanwaltschaften haben sich bis Ende 2021 etwa 20.000 Menschen mit dem Antigen impfen lassen. Denn selbst das PEI räumte ein, daß sich „weltweit zahlreiche Impfstoffkandidaten mit einem ähnlichen Konzept wie dem von Professor Stöcker in verschiedenen Stadien der klinischen Prüfung“ befinden. Genau deswegen empfahl der auf Tempo setzende Stöcker: „Man impft die ersten tausend Probanden, am besten mit dem Lübecker Verfahren, und macht sie gleich immun. Wenn das gut geht, kommen zehntausend Leute dran und dann der Rest.“ Aktuell rät er zu Auffrisch-Impfungen – allerdings nur mit einem Protein-Impfstoff.

 www.winfried-stoecker.de

 www.labor-stoecker.de

 www.flughafen-luebeck.de

Foto: Winfried Stöcker im Labor: Sein Corona-Vakzin wirkt, doch die Behörden kennen keine Gnade