© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

JF-Intern
Vaterfreuden
Gil Barkei

Ein Schrei, der innerhalb einer Sekunde das Leben verändert, den eigenen Kompaß aus Emotionen, Werten und Prioritäten nochmal genauer und klarer justiert. Über was für Nebensächlichkeiten man sich doch in den vergangenen Jahren oft den Kopf zerbrochen hat. Da liegt sie nun auf der Brust meiner Frau, vor der ich gar nicht oft genug den Hut ziehen kann: meine Tochter Luise, mein erstes Kind, 2,8 Kilo Zukunft. Das beste Silvester meines bisherigen Lebens, was für ein Jahresabschluß, die Raketen fliegen nur für sie, erzähle ich ihr und mir. Etwas länger als errechnet hat sie sich Zeit gelassen. Die genaue Initialzündung, wann und wie ein Baby „entscheidet“, sich auf den Weg zu machen, um das Licht der Welt zu erblicken, wirft immer noch Rätsel auf. Bei all der modernen Technik, die uns in den vergangenen Wochen, Tagen und Stunden umgeben hat, bleibt die Schaffung eines Lebens ein Wunder der Schöpfung oder der Natur; je nachdem wie man es halten möchte.

Noch ganz verknautscht und verschmiert blickt das kleine Würmchen, das in einem Akt der Urinstinkte sofort jegliche Vatergefühle angeknipst hat, mit großen wachen Augen in die Umgebung. Auch für sie ist alles neu, wie der Papa muß sie einiges von Grund auf erlernen. Den ersten Einsatz auf dem Wickeltisch meistern wir trotz aller Aufregung gemeinsam – es werden noch einige Herausforderungen folgen: Sprechen, Laufen, Fahrradfahren. Die Zeit des Denkens in Monaten oder allenfalls Jahren ist vorbei. Jetzt zählen die Jahrzehnte.