© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/22 / 21. Januar 2022

Haltungsnote
Brüsseler Paläste
Gil Barkei

Der Durchschnittsdeutsche muß sich sein Einfamilienhaus, das in immer mehr Regionen die Kostenmarke einer halben Million Euro deutlich überschreitet, vom Munde absparen. Und für viele bleibt das Eigenheim von vornherein ein unerreichbarer Traum. Probleme, die der Vizepräsident des Europaparlaments, Rainer Wieland, nicht kennt, während er aus dem 15. Stock über die Dächer der belgischen Hauptstadt blickt. Für sage und schreibe 630.000 Euro hat der CDU-Politiker sein 130 Quadratmeter großes Büro umbauen lassen – elektronisch verschließbare Tür und auf Sichtschutz einfärbende Scheiben inklusive. Wie war das gleich nochmal mit der Kritik des „Westens“ an goldenen Toiletten geschmäter fremdländischer Despoten? Allein der Abriß des vorherigen Technokraten-Domizils kostete fürstliche 50.000 Euro. Dafür verfügt Wieland nun über einen Multifunktionsraum mit Monitorwand, in dem professionelle Videos produziert werden sollen. Der Raum werde auch anderen Abgeordneten zur Verfügung stehen, verteidigt der 64jährige die dreiste Selbstbedienung. Doch die Kollegen halten sich verschämt bedeckt: Solche Summen seien nur schwer „Europas Steuerzahlern zu vermitteln“, kritisiert der zuständige Berichterstatter im Haushaltskontrollausschuß. Bei soviel Prunk in den Brüsseler Palästen dürfen sich die Volksvertreter nicht wundern, wenn immer mehr Bürger verärgert mit Fackel und Mistgabel liebäugeln.