© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/22 / 28. Januar 2022

Mißbrauchsgutachten belastet Benedikt
Ein Denkmal wankt
Gernot Facius

Das Benedikt-Beben nimmt kein Ende. Der emeritierte Papst hat zugegeben, daß er als Münchner Erzbischof am 15. Januar 1980 an der Sitzung teilgenommen hat, in der die seelsorgliche Verwendung des mehrfachen Mißbrauchstäters Peter H. aus dem Ruhrbistum Essen ein Thema war. Allerdings sei darüber nicht entschieden worden, man habe lediglich der Bitte entsprochen, dem Geistlichen während einer therapeutischen Behandlung Unterkunft zu ermöglichen. Sein bisheriges Dementi nennt Ratzinger ein Versehen. Eine peinliche Einlassung. Für einen Kirchenmann, der für seine notorische Kontrollsucht und sein gutes Gedächtnis bekannt war, zudem eine seltsame Argumentation. Man darf nun gespannt sein, wie er in einer noch ausstehenden Stellungnahme das „Versehen“ begründet.

Das ist längst nicht alles: Es gibt eine inzwischen relativierte Aussage seines damaligen Münchner Generalvikars Gerhard Gruber, allein dafür verantwortlich gewesen zu sein, daß H. wieder in der Seelsorge eingesetzt wurde. Er sei zu der Einlassung gedrängt worden, um Benedikt XVI. zu schützen. Das gibt der Causa eine neue Dimension. „Wir erleben den Zusammenbruch eines Denkmals“, kommentierte, auf den greisen Ratzinger anspielend, ein Vertreter des Betroffenenbeirats. Damit sei die Mißbrauchsaffäre der Kirche – das veröffentlichte Münchner Gutachten listet immerhin 497 Opfer zwischen 1945 und 2019 – endgültig in ihrem Zentrum angekommen: im Vatikan.