© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/22 / 28. Januar 2022

Mario Czaja hat’s geschafft. Seit Sonnabend ist der Berliner Aufsteiger, stets Fähnchen im Wind, CDU-Generalsekretär.
Mir kann keener!
Ronald Berthold

Knapp 93 Prozent der CDU-Parteitagsdelegierten wählten Mario Czaja am vergangenen Sonnabend zum Generalsekretär. Der neue Hoffnungsträger ist mit allen Wassern gewaschen.  Äußerst erfolgreich hat sich der gebürtige Ost-Berliner in seinem Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf einen Namen gemacht. Bei der Bundestagswahl nahm er der Linken Petra Pau in deren Hochburg das Direktmandat ab. Neidlos müssen auch seine Kritiker anerkennen, daß der 46jährige eine hervorragende, wenn auch eher linksorientierte Basisarbeit macht.

Doch während seiner politischen Anfänge versuchte Czaja auch bei der sogenannten Neuen Rechten zu netzwerken. Untendurch war er dort allerdings, als er sich vor seiner Einberufung zur Bundeswehr drückte. 1997 verurteilte ihn ein Gericht wegen Fahnenflucht zu einer Geldstrafe. Notgedrungen leistete er schließlich Zivildienst. 

Dann kam heraus, daß der Jungpolitiker sich seinen Titel als Diplom-Ökonom an einer windigen Schweizer Universität ermogelt hatte. In Wirklichkeit hat er nicht einmal Abitur. Das muß kein Makel sein, aber es gehört zu Czajas Charakter, mehr darstellen zu wollen als er ist. Letztlich löschte er den Abschluß aus seinem Lebenslauf, behielt aber sein Mandat im Berliner Abgeordnetenhaus, in dem er von 1999 bis 2021 saß. 2011 wurde er Gesundheitssenator, und als sich 2013 sein Staatssekretär Michael Büge, gegen den eine linke Kampagne lief, weigerte, aus der Burschenschaft Gothia auszutreten, entließ ihn Czaja, der für seinen Wahlkampf Geld rechtskonservativer Kreise nicht verschmäht haben soll und nach Angaben der Gothia früher oft selbst bei dieser zu Gast war.

CDU-Chef Merz wird wissen, daß Czaja im Zweifelsfall illoyal wird – denn es geht diesem meist um sich selbst. 

„Mir kann keener“ – das Berliner Motto muß sich bei dem geschmeidigen Mann nach diesen Skandalen verselbständigt haben. Daß er tatsächlich gelernter Versicherungsvertreter ist, halten manche in seinem Umfeld für passend. Kurz vor der Bundestagswahl trat der verheiratete Vater einer Tochter der CDA, dem Arbeitnehmerflügel der CDU, bei. Dabei gehört er tatsächlich zur anderen Seite. Der Spiegel berichtete jüngst, wie Czaja in zahlreiche Gesundheitsfirmen investiert, seine Kontakte als Senator dabei vergoldet hat und Lobbyarbeit betrieb. Als Landtagsabgeordneter gab er Nebeneinkünfte von bis zu 150.000 Euro im Jahr an. 

Mit seiner Bundestagskandidatur legte er im November 2020 sein Amt als Geschäftsführer der Brückenköpfe GmbH nieder. Czaja hatte sich in dieser Funktion mit dem damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn getroffen. Was die zwei besprochen haben, bleibt im dunkeln. Laut Ministerium handelte es sich um einen „allgemeinen Austausch“, weitere Informationen lägen nicht vor. Kurz darauf sprach sich Czaja, der gern Fotos vom Skatspielen mit Gregor Gysi verbreitet, für Spahn als neuen CDU-Vorsitzenden aus. Der Minister trat damals, im November 2018, gegen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz an. 

Letzterer hat Czaja nun drei Jahre später zum Generalsekretär gemacht, um seinem öffentlichen Bild als „Rechter“ entgegenzuwirken und den linken Parteiflügel zu integrieren. Der neue Parteichef wird wissen, daß sein wichtigster Mann im Zweifelsfall illoyal wird. Denn es geht Mario Czaja meist um sich selbst. Der eine Hoffnungsträger wird so zur Hypothek des anderen.