© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/22 / 28. Januar 2022

Verbot von kurzfristigen Kündigungen bei Energieverträgen geplant
Grüne Pseudoretter
Marc Schmidt

Voriges Jahr hat sich Strom für Privathaushalte um 38,8 Prozent verteuert. Eine dreiköpfige Familie muß nun 455 Euro jährlich mehr zahlen, rechnet das Vergleichsportal Verivox vor. Doch es naht Rettung: Oliver Krischer, parlamentarischer Staatssekretär im grünen Wirtschaftsministerium, kündigt ein Gesetz gegen teure Grundversorgungstarife und billige Energieanbieter an, die nicht mehr liefern können. Denn vor Weihnachten hatten Discounter ihren Kunden gekündigt, weil die explodierenden Gas- und Strom-Börsenpreise die Anbieter in den Ruin treiben.

Dadurch fielen die Kunden in die obligatorische Grundversorgung der jeweiligen Stadtwerke (JF 3/22). Doch die Betroffenen haben die Möglichkeit, mittels 15 Minuten Arbeit im Internet kurzfristig einen Alternativanbieter auszuwählen. Aus den Tagen in der überteuerten Grundversorgung entsteht ein Schaden von zehn bis 20 Euro. Doch die für Ampel-Parteien und Union sakrosankte „Energiewende“ hat Deutschland mit 33 Cent pro Kilowattstunde die höchsten Strompreise der Welt beschert. Die „CO2-Bepreisung“ und diverse Steuern und Abgaben verteuern zusätzlich Heizen und Fahren – daran sind weder Kreml-Herrscher noch gierige Stromkonzerne schuld. Um von der Ursache „Klimaschutz“ abzulenken, will Krischer nun die Grundversorger zwingen, kurzfristige Neukunden zukünftig nicht mehr teurer einzugruppieren als Bestandskunden.

Doch die Folge wird sein, daß die zu Unrecht gescholtenen Stadtwerke ihre Grundversorgungstarife insgesamt verteuern müssen. Die Tarife nutzen meist arme Menschen, die kein anderer Anbieter wegen Überschuldung oder schlechter Kreditwürdigkeit mehr annimmt – das ist Pseudo-Verbraucherschutz. Zudem soll den Discountern ihr Geschäftsmodell – der kurzfristige Energieeinkauf an der Börse – über ein weitgehendes Verbot unmöglich gemacht werden. Mit Klaus Müller kritisiert dies ausgerechnet ein ehemaliger Kieler Landesminister. Der grüne Parteifreund hat als Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen die pauschalen Angriffe Krischers auf Discountanbieter logischerweise zurückgewiesen. Müller soll aber neuer Chef der Bundesnetzagentur werden. In dieser Funktion wird er dann Chefaufseher und Genehmiger aller Tarife am Energiemarkt. Wie wird er dann entscheiden?