© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/22 / 28. Januar 2022

Ein zynischer Wettbewerb
Autobranche: Duell zwischen den Ford-Werken in Saarlouis und Valencia
Christian Schreiber

Es ist ein zynischer Wettbewerb, und ein schnelles Ende ist nicht in Sicht. Vorige Woche mußten die Verantwortlichen des Ford-Werks in Saarlouis und die Kollegen aus dem spanischen Valencia der Firmenzentrale ihr „Zukunftskonzept“ vorlegen. Im Zweikampf um den Zuschlag für die geplante E-Mobil-Fabrikation sollten beide Standorte überzeugende „Sparkonzepte“ vorlegen. Den Verlierern droht die Werkschließung. Die Entscheidung wird vermutlich im Sommer fallen. Für die Beschäftigten vor Ort ist dies eine schier unerträgliche Situation. Für die Saarländer ginge damit eine 52jährige und die Spanier eine 49jährige Autotradition zu Ende.

Die politisch geschürte Klimapanik fordert ihren Tribut

„Wir müssen Ideen vorlegen, die sich auf drei Themen konzentrieren, die wir als kritisch für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Fabrik ansehen: die Verringerung der Lohnkosten, die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit und eine Erhöhung der Arbeitstage pro Jahr“, schrieb die Werksleitung in Valencia kürzlich an ihre Mitarbeiter. Sprich: Die Beschäftigten sollen vor allem auf Urlaub verzichten. Dies setzt die Deutschen unter Druck: „Uns wurde schon ziemlich deutlich gesagt, daß Valencia insbesondere hinsichtlich der Personalkosten erhebliche Vorteile habe“, zitierte die Saarbrücker Zeitung den früheren Chef des deutschen Ford-Gesamtbetriebsrates, Martin Hennig. „Die beiden Standorte werden gegeneinander ausgespielt“, klagen die Gewerkschaften in beiden Ländern.

In Saarlouis wird der beliebte Ford Focus produziert, doch wegen fehlender Einzelteile standen die Fließbänder wochenlang still. Daher wurden 2021 nur noch 21.969 Stück des Golf-Konkurrenten in Deutschland neu zugelassen. 2025 soll die Focus-Produktion auslaufen. In Valencia laufen hingegen das teurere SUV Kuga (29.102 Neuzulassungen in Deutschland) und der Mini-Van S-Max vom Band. Die Mondeo-Montage läuft im März aus. Spätestens 2030 will Ford in Europa die Produktion von Pkws mit Verbrennungsmotoren ganz aufgeben – die Klimapanik fordert ihren Tribut. Etwa 5.000 Beschäftigte hat Ford noch in Saarlouis, weitere 2.000 arbeiten im benachbarten Industriepark bei Zulieferbetrieben. In Valencia gibt es rund 6.000 Fordianer.

An der Saar kommt die Automobilbranche mit ihren 260 Firmen auf insgesamt 44.000 Beschäftigte und 17 Milliarden Euro Umsatz. Alle Augen sind nun auf den 54jährigen Martin Sander gerichtet. Der neue Ford-Deutschland-Chef tritt sein Amt am 1. Juni an. Offen ist, ob der langjährige Audi-Manager in den Entscheidungsprozeß eingebunden wird. Sander gilt als „Global Player“, er war für die VW-Tochter auch in Nordamerika aktiv. Sein Hauptaugenmerk könnte dem Stammwerk in Köln gelten. Fest steht aber, daß Sander die Entscheidung verkünden wird. Die Probleme bei Ford  sind nicht neu, bis 2019 wurden in Europa 12.000 Stellen abgebaut und mehrere Werke geschlossen. Das politisch betriebene Aus für Benzin- und Dieselmotoren und Corona haben die Krise verschärft.

Doch die „Energiewende“ trifft nicht nur die Autoindustrie. Der Münchner Chipzulieferer Siltronic wird nach Asien verkauft. Der Vorstandschef Christoph von Plotho macht dafür unter anderem die hohen Energiekosten in Deutschland verantwortlich: „Durch den hohen Strompreis wird der Standort unattraktiv“, erklärte er dem Handelsblatt, „am Standort Singapur zahlen wir weniger als die Hälfte“. Und das ist kein Einzelfall. „Wenn die Belastungen immer höher werden, wird es eine Abwanderung von Firmen ins Ausland geben“, warnte Siegfried Russwurm, Chef des Industrieverbandes BDI. Und der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Peter Adrian, mahnte, daß die energieintensiven Unternehmen im internationalen Wettbewerb stünden: „Wenn wir jetzt in Europa und auch speziell in Deutschland den Weg beschreiten, daß alles teurer wird, dann kann das schnell zur Folge haben, daß betroffene Industrien und Wirtschaftszweige hierzulande wegfallen – weil sie ins Ausland abwandern müssen.“ Das sei „der blinde Fleck der Klimapolitik. Damit muß Politik sich dringend mehr beschäftigen“, so Adrian.