© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/22 / 28. Januar 2022

Kirchen nur noch Wegbereiter des Islam
Kultur des Abschieds
(wm)

Die soziokulturelle Säkularisierung schreitet unaufhaltsam voran. Der befürchtete christliche Traditionsabbruch, dem die Ex-Bischöfin Margot Käßmann einst mit der Vitalisierung des familiären Tischgebets begegnen wollte, ist für die links-grüne Theologin Ellen Ueberschär (Heinrich-Böll-Stiftung) heute eingetreten (zeitzeichen, 1/2022). Denn 2022 werde die Zahl der Kirchenmitglieder, Katholiken und Protestanten zusammengezählt, höchstwahrscheinlich die 50-Prozent-Marke unterschreiten. Das sei mehr als ein symbolisches Datum, da es den Anspruch der Kirchen untergräbt, für den größten Teil der Gesellschaft zu sprechen. Dem trage der Vertrag der Berliner Ampelkoalitionäre bereits Rechnung. Von der „Basis der christlichen Prägung unseres Landes“, wie es im Koalitionsvertrag der letzten Merkel-Regierung hieß, ist darin keine Rede mehr. Stattdessen, auf der Basis der ausgerechnet von einer Pfarrerstochter im Kanzleramt geleisteten Vorarbeit, vertraue die neue Bundesregierung stillschweigend auf die „progressive“ religiöse Pluralisierung des Landes. Schließlich enthalte schon die allen Verhältnissen im real existierenden Kapitalismus hohnsprechende liberale Ideologie von der „bedingungslosen Autonomie des Individuums“ die konsequente Absage an „christliche Vorstellungen von Sozialität und Bindung“. Darauf sollten die Kirchen mit einer „Kultur des Abschieds“ vom Selbstverständnis christlicher Dominanz antworten, um sich für noch mehr „neue Vielfältigkeit“ zu öffnen. Zu ihr gehöre es, mitzuwirken an der Bewältigung der nur scheinbar unlösbaren Aufgabe der „Integration des Islam ins deutsche Religionsverfassungsrecht“. 


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