© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/22 / 28. Januar 2022

Angemaßte Hoheitsakte
Frank Hennecke kritisiert unser System der Rundfunkabgabe
Gil Barkei

Trotz des den Rundfunkbeitrag bestätigenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2018 sei die Zwangsabgabe „rechts- und verfassungswidrig“. Zu dieser Einschätzung kommt der frühere Leitende Ministerialrat Frank Hennecke in seiner 2021 neu aufgelegten Streitschrift „Der Zwangsrundfunk oder Warum die Rundfunkabgabe rechts- und verfassungswidrig bleibt“. Die Rechtsprechung bezüglich der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks treffe „den Rechtsstaat im Kern“, sei „ein Skandal“ und habe „zahlreiche Rechtsfragen unbeantwortet gelassen“.

Die „Festsetzungsbescheide“, mit denen die Anstalten nicht gezahlte Beträge einfordern, seien beispielsweise nach den „geltenden Grundsätzen des Allgemeinen Verwaltungsrechtes rechtswidrig“, weil die Rundfunkanstalten unter anderem für deren Erlaß gar „keine Vollzugskompetenz“ hätten. Der jeweilige Landesgesetzgeber habe „es versäumt, die hierfür nach Verfassungsrecht erforderlichen Rechtsgrundlagen“ zu schaffen – „Hoheitsakte können nur von öffentlichen Behörden gesetzt werden, deren Hoheitsgewalt durch Gesetz begründet ist.“ 

Damit werde desweiteren das Gebot der Staatsferne verletzt, indem „die Rundfunkanstalten auch noch mit den Hoheitsbefugnissen zur Zwangsdurchsetzung ihrer Finanzierung ausgestattet werden“. Zudem verletzt die Rundfunkabgabe laut Hennecke mehrere Grundrechte wie zum Beispiel jene auf informelle Selbstbestimmung und auf Schutz der persönlichen Daten, die durch die systematische Erfassung und Nachforschung der Wohnadresse berührt werden.

Detailliert und trotz der trockenen Gesetzesmaterie durchaus spannend, aber für den juristischen Laien nicht immer leicht verständlich, führt Hennecke wie in einer wissenschaftlichen Arbeit durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (18. März 2016 und 27. September 2017) und des Bundesverfassungsgerichts.

Trotz der offiziellen juristischen Absegnung aus Karlsruhe des gegenwärtigen Systems mit Rundfunkbeitrag hofft der Autor, mit seiner Schrift nicht nur Argumente des Widerspruchs bieten zu können, sondern das Bundesverfassungsgericht doch noch dazu zu veranlassen, die weiterhin „anhängenden Verfassungsbeschwerden“ und die „rechtssuchenden Bürger nicht ohne Antwort zu lassen“. 

Angesichts des Umstands, daß das Rundfunk- und Beitragssystem allerdings wechselseitig – von juristischen wie von politischen Institutionen – beschützt wird, stellt sich hier die Frage, ob ein Aufbruch dieses Systems durch die Mehrheitsgewinnung in der (Landes-)Politik nicht vielversprechender erscheint als der Rechtsweg.

Frank Hennecke: Der Zwangsrundfunk oder Warum die Rundfunkabgabe rechts- und verfassungswidrig bleibt. Selbstverlag Frank Hennecke, Ludwigshafen am Rhein 2021, broschiert, 118 Seiten, 10 Euro