© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/22 / 28. Januar 2022

Millionen für Pixel
Digitale Kunst: „Non-Fungible-Token“ erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und sind hoch spekulativ
Eric Steinberg

Horrende Geldbeträge für Werke zahlen, die sich jedermann kostenlos im Internet anschauen kann? Das ist Alltag auf dem Kunstmarkt. Käufer sehen in der Investition in alte und neue Schätze häufig eine sichere Wertanlage für die Zukunft. 

Was nicht gerade im Museum ausgestellt ist, findet sich in den Wohnzimmern der Kunstliebhaber: ein Modell, das für Anhänger von NFTs längst altmodisch geworden ist. Denn die Werke lassen sich bequem auf dem Handy speichern. Auch andere Märkte wollen profitieren. 

NFT steht für „Non-Fungible Token“. Die Technik hat mittlerweile vor allem im Kunstgeschäft Fuß gefaßt und erlebt seit der Pandemie einen großen Hype. Die Tokens sind digitale Echtheitszertifikate für Werke in Form von Bildern, Videos oder auch Texten. Die Besitzer der NFTs können sich damit von der Einzigartigkeit ihrer Datei überzeugen. Das versichert die Blockchain-Technologie (JF 25/19): Eine Kette von verschiedenen Datensätzen, die auf Servern in der ganzen Welt gespeichert sind, macht die Zertifikate fälschungssicher.

Ein Unikat besitzen, von dem Tausende Kopien existieren

Nicht nur der Künstler der Arbeit selbst wird darauf festgehalten, sondern auch der aktuelle Besitzer, der Entstehungszeitpunkt oder der Prozentsatz, den der Erschaffer bei jedem Weiterverkauf anteilig erhält. Das Kuriose: Eigentlich kann die Kunst bequem per Mausklick heruntergeladen werden, der NFT zum Werk ist jedoch einmalig. Und genau darum geht es: Nicht die Liebe zum gekauften Exemplar steht im Vordergrund, sondern der schlichte Besitz. Die Möglichkeiten zur Investition sind durch verschiedene Anbieterplattformen in den vergangenen Monaten deutlich gewachsen. Die größte von ihnen feierte 2021 ihren Durchbruch und heißt OpenSea. Vom Kauf sogenannter CryptoPunks, die nur aus wenigen Pixeln bestehen und deren Anzahl auf 10.000 Exemplare beschränkt ist, bis hin zu Gemälden, die als digitale Version verkäuflich sind, bietet sich dort eine breite Produktpalette. Auch eigene NFTs lassen sich dort für jedermann erstellen. Wie wäre es mit alten Urlaubsfotos als zertifiziertes Unikat? 

Der Wert der Tokens wird künstlich durch die Gesellschaft festgelegt und macht sie damit zu risikobehafteten Spekulationsobjekten – ähnlich wie bei gewöhnlichen Gemälden. Die Bereitschaft, dafür große Summen zu bezahlen, ist jedoch vielfach vorhanden. Der Rekord für den teuersten NFT liegt bei einer Bildercollage des Künstlers Beeple. Dessen Werk „Everydays: The First 5000 Days“ erzielte bei einer Auktion den stolzen Preis von umgerechnet 60 Millionen Euro. Mittlerweile kommt alles unter den Hammer, womit sich Geld verdienen läßt. Der erste Tweet des Twitter-Gründers Jack Dorsey erreichte in Form eines NFTs den Verkaufswert von zweieinhalb Millionen Euro.

Das macht deutlich: Nicht nur auf dem Kunstmarkt läßt sich mit der Technologie Geld verdienen. Auch große Unternehmen wollen sich den Hype bereits zunutze machen. Zum einen bringt der Markteinstieg große Aufmerksamkeit, zum anderen läßt sich direkter Profit erwirtschaften. Kleidungsstücke des Modelabels Dolce & Gabbana etwa wechselten während einer Modenschau für mehr als eine halbe Million Euro den Besitzer – als NFT. 

Von digitalen Handtaschen bis hin zu einzigartigen Sneakern scheint auch auf dem Modemarkt alles möglich. Selbst Branchen, in denen es um deutlich geringere Bezahlsummen geht, möchten am Trend verdienen. So will etwa die Nachrichtenagentur Associated Press künftig ihre bedeutendsten Fotos als NFT anbieten. Wie teuer die ausgewählten Schnappschüsse dann sein werden, hält AP bislang geheim. 

Wer es etwas anrüchiger mag, kann die Bilder des Männermagazins Playboy kaufen. Das Angebot enthält zwar keine unbekleideten Damen, dafür steckt hinter den 11.953 kreierten Hasen aber der Schlüssel zur exklusiven Playboy-Mitgliedschaft. Daraus ergeben sich weitere Vorteile wie etwa ausgewählte Events oder Merchandise-Artikel. Das Konzept der Blockchain-basierten Mitgliedschaften ist dabei kein Playboy-Einzelfall. Mit dem NFT-Verkauf ergibt sich für die Unternehmen die Möglichkeit einer neuen, erlesenen Kundenbindung.

Foto: Ausstellungsstück auf der ersten Digital Art Fair Asia 2021: Neuer Kunstmarkt