© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Neue Grünen-Spitze gewählt
Jenseits der Basis punkten
Jörg Kürschner

Wer meint, in der Politik sei das äußere Erscheinungsbild weniger wichtig als die Inhalte, irrt. Die Realos Robert Habeck und Annalena Baerbock waren als Grünen-Chefs auch deshalb Zugpferde, weil sie erfrischend und im wahrsten Sinne des Wortes gewinnend daherkamen. Neudeutsch: Die Performance stimmte. 

Daran mangelt es ihren Nachfolgern Omid Nouripour und Ricarda Lang. Der Realo ist trotz des Direktmandats nicht der „Frankfurter Bub“, als der sich der Flüchtlingssohn gern darstellt. Und an der Linken wird das Etikett des „Pummelchens“ kleben, mag sie sich auch als Hedonistin inszenieren. 

Beide sind ohne Beruf, vermitteln keine erworbene Qualifikation, versprühen keinen Glanz, keine Lässigkeit, um jenseits der Stammwählerschaft zu punkten. Wer behauptet, Teile der Scharia seien mit dem Grundgesetz vereinbar, wer soziale Benachteiligung während der Kindheit beklagt und sich dann als Funktionärin unberechtigt Corona-Boni genehmigt, wird Wechselwähler nicht begeistern. 

Auf die bürgerlichen Milieus aber kommt es an, wenn die Grünen wie angekündigt 2025 wieder ums Kanzleramt kämpfen wollen. Mit der „Völkerrechtlerin“ Baerbock? Das neue Spitzen-Duo muß ihren Ministern den Rücken freihalten und der Basis bittere Regierungskompromisse schmackhaft machen. Das Parteitagsmotto „Wurzeln für die Zukunft“ klingt nach Aufbruch, im Vordergrund steht die Machtsicherung.