© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Joe Rogan. Der Amerikaner ist der erfolgreichste Podcaster der Welt – selbst er soll jetzt gecancelt werden.
In keine Schublade
Elliot Neaman

Brav schalten die Deutschen auch beim Massenmedium Podcast am liebsten politisch Korrektes ein. Spitzenreiter hierzulande unter den mitunter stundenlangen Dauertalkshows im Internet: „Gemischtes Hack“ mit Felix Lobrecht und „Fest & Flauschig“ mit Jan Böhmermann. Ganz anders die USA, wo Platz eins an einen politisch Widerspenstigen geht, den notorischen Grenzgänger Joseph James Rogan. 

Seinen kostenlosen Podcast startete er 2009 beim Audio-Streamingdienst Spotify. Inzwischen heißt er „The Joe Rogan Experience“ (Das Joe-Rogan-Erlebnis) und ist zum erfolgreichsten der USA und damit auch der Welt geworden. 2020 willigte Spotify in einen mehrjährigen Lizenzvertrag im Wert von etwa 100 Millionen Dollar ein.

Dabei häufen sich seit jeher die Attacken gegen den Moderator, der weder links noch rechts eindeutig zuzuordnen ist. Zwar setzt Rogan sich für die Rechte Homosexueller und Frauen, die Liberalisierung von Drogen, universelle Gesundheitsversorgung und Mindestlohn sowie viele andere fortschrittliche Anliegen ein, aber der Woke- und Cancel-Kultur mag er sich nicht beugen. Und erst recht läßt er sich nicht vorschreiben, wen er in seine Sendung einlädt, wo nicht nur stramme Rechtskonservatie wie Ben Shapiro zu Wort kommen, sondern auch rechte Provokateure wie Milo Yiannopoulos oder der extrem rechte Verschwörungstheoretiker Alex Jones. Dabei hat Rogan selbst politisch zuletzt die Demokratin Tulsi Gabbard, dann den Sozialisten Bernie Sanders unterstützt. Andererseits folgt er auf der Rechten den Trump-Isolationisten, die US-Interventionen im Ausland kritisieren. Am ehesten paßt die Kategorie libertär auf ihn – mit anderen Worten, seine politische Einstellung ist uneinheitlich.

Rogans Erfolgsrezept ist es, zuzuhören – im Gegensatz zu deutschen Podcast-Stars wie etwa Böhmermann. 

Einen ersten Durchbruch hatte Rogan jedoch schon zehn Jahre vor dem Start seines Podcasts, als er 1999 bei Fox eine eigene Sitcom zur Hauptsendezeit bekam. Zudem spielte er in Filmen und TV-Sendungen mit oder moderierte sie. Dabei hatte er sich als junger Mann, 1967 in New Jersey in einer zerrütteten Ehe geboren, zunächst sehr um seine berufliche Zukunft gesorgt, und wegen seiner geringen Größe verschiedene Kampfsportarten erlernt, später Kampfsportprogramme fürs Fernsehen gemacht.

Die jüngste Attacke gegen Rogan begann im April 2021, als er in seinem Podcast erklärte, junge Leute müßten nicht geimpft werden, und Gäste einlud, die für eine zweifelhafte medikamentöse Behandlung von Covid warben. Das führte zum öffentlichen Streit mit dem medizinischen Chefberater des Weißen Hauses, Anthony Fauci. Rogan lenkte teilweise ein, lehnt aber weiter Zwangsimpfungen, Impfpässe und andere staatliche Maßnahmen ab, die seiner Meinung nach die USA in eine autoritäre Richtung führen. Die Kontroverse hat sich nun erneut zugespitzt: Rocklegende Neil Young, der als Kind Polio überlebt hat, versucht, Spotify dazu zu zwingen, Rogan zu canceln (siehe Seite 1). 

Doch nicht nur die woke Linke, auch Teile der Rechten haben Interesse, diese kulturellen Messerkämpfe zu führen. Dazwischen aber gibt es ein Publikum, das einfach neugierig ist und Rogan zu seinem Lorbeer verhilft. Denn dessen Erfolgsrezept ist es, zuzuhören und vor allem, „nie wie ein Besserwisser zu wirken“ (Spiegel). Eine Haltung, mit der deutsche Podcast-Stars wie Böhmermann oder Sascha Lobo wohl nichts anfangen können.