© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Zusammenprall der Woche
Arbeit oder Aktivismus
Alexander Graf

Wenn Werktätige auf Weltretter treffen, Arbeitnehmer mit Klimaschützern zusammenrasseln, kann es schon mal hitzig werden. Seit Tagen blockieren Mitglieder der Initiativen „Essen retten – Leben retten“ und „Aufstand der letzten Generation“ immer wieder die Stadtautobahn in Berlin. Damit wollen sie ihrer Forderung nach einem Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung und für eine andere Agrarpolitik zur Vermeidung von Treibhausgasen Nachdruck verleihen. „Verpißt euch! Ich will zur Arbeit, ihr Pisser! Ick hab’ schon keene Kohle wegen Corona“, machte ein Mann seinem Ärger über die Blockade mit deutlichen Worten Luft. Weitere Videos in den sozialen Medien dokumentieren ähnliche Reaktionen. Frustrierte Autofahrer, die wahlweise ihr Kind zum Arzt bringen oder in den Feierabend wollen, zeigen wenig Verständnis für die Aktion. Teilweise festgeklebt auf der Fahrbahn, sorgten sie für stundenlange Staus. Zu spüren bekamen das vor allem Arbeitnehmer im morgendlichen Berufsverkehr. Besonders ironisch mutet es angesichts der Forderungen der Klimaschützer an, daß von ihren Aktionen auch ein Lieferant für Schulessen betroffen war. „Ich habe hier Schulessen auszuliefern. Das wird jetzt schlecht“, brüllte er einer Blockiererin wütend entgegen. Und wiederholt war in den Kommentarspalten, in denen die Sympathie mehrheitlich den geplagten Autofahrern galt, der wenig schmeichelhafte Vorwurf gegen die Klimaschützer zu lesen, bei ihnen handele es sich sowieso um Langzeitstudenten, die ihr Geld nicht selbst verdienten. Unterdessen kündigte die Initiative an, die Blockaden auf weitere Städte in Deutschland ausweiten zu wollen. Demnach müssen sich Autofahrer in ganz Deutschland in den folgenden Tagen darauf einstellen, daß der Weg zur Arbeit länger dauert, wenn Studenten sich auf die Straße setzen.