© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Grüße aus … Paris
Les Brèves de comptoir
Katharina Puhst

Der Erdnußautomat aus den fünfziger Jahren thront auf dem Tresen neben der Croissant-Box im schrillen Orange der siebziger Jahre. Das verblaßte Telefon mit Wählscheibe klingelt ununterbrochen. Es ist Mittag. Gäste reservieren kurzfristig noch einen der Tisch. Es scheint, als sei im Petit Bar, 7 rue du Mont-Thabor, die Zeit stehengeblieben. Das Rad der Zeit dreht sich dennoch. Innerhalb der vergangenen zwanzig Jahre hat sich die Zahl der Pariser Cafés, das Emblem der französischen Hauptstadt, um vierzig Prozent reduziert. Heute sind es nur noch 1.410 Cafés, wie es die neuesten Zahlen der Pariser Handelskammer belegen.

Nicht zu verwechseln mit dem Tabak-Café oder gar der Brasserie, bedient das typische Café auch direkt am Tresen, wo sich Gäste in Erwartung einer Konversation herumschieben. Die Kultur der Pariser Cafés reicht bis in die Zeit von Ludwig dem Sonnenkönig zurück. 1686 öffnete das erste Café, dessen Nachfolger seitdem Schauplatz für Debatten, Ideenaustausch oder sonstige Unterhaltung bietet. Gibt es heute also keine Ideen mehr? Vielmehr liegt es an der Konkurrenz durch Fast-Food-Ketten, dem Kaffee „to go“ im eleganten Pappbecher, aber auch am mangelnden Interesse am Austausch mit Fremden. Unsereins bevorzugt die Anonymität und widmet sich der Kommunikation via Smartphone.

Unsereins bevorzugt die Anonymität und widmet sich der Kommunikation via Smartphone.

Auf die Bemerkung des Kellners, er habe mich hier schon gesehen, erwähne ich meinen Termin beim Friseur nebenan. „Ah, wann haben Sie denn Ihren Termin?“, erkundigt er sich weiter und lacht verlegen auf, als ich mit der Hand auf meinen Kopf deutend erkläre, soeben beim Coiffeur gewesen zu sein.

Es ist ein herzlicher Ton und interessanter als ein Kinobesuch. Jean Dalle, der 91jährige, der das Café 1966 kaufte, studiert die Tageszeitung. Ab und an schwirrt ein Satz von einem der beiden Kellner, seinen Söhnen, herüber, worauf er in unverständlichem Französisch antwortet. Das Urgestein erhebt sich und erscheint wenig später mit einer Tüte Baguettes. Das war es also, was ihm aufgetragen war. Ein Sohn eilt hinter der Theke auf und ab, trocknet das Geschirr und reicht einem der Gäste am Tresen erneut einen Espresso. Es handelt sich noch um „echten“ Kaffee, soll heißen kein saures Gebräu der Marke Richard, das in Paris zumeist serviert wird. Mutter Marie kümmert sich im Alter von 88 Jahren um die Küche. 

Heute ist Mittwoch, heute gibt es Roast Beef mit hausgemachten Pommes. Sogenannte „Brèves de comptoir“ (dt.: kurzes Gespräch am Tresen) erfüllen den Raum und symbolisieren das Zusammenleben, durch das das Pariser Café zum französischen Kulturerbe gehört, welches langsam schwindet.