© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Mitte-Rechts-Bündnis ist sich nicht grün
Italien: Nach der Niederlage bei der Präsidentenwahl brodelt es hinter den Kulissen von Lega, Fratelli d‘Italia und Forza Italia
Fabio Collovati

Als Staatspräsident Sergio Mattarella nach sechs ziemlich langwierigen Wahltagen doch noch im Amt bestätigt wurde, machten sich auf der einen Seite Erleichterung, auf der anderen Seite blanke Wut breit. Erleichtert sind vor allem jene, die sich für einen Fortbestand  der Regierung unter dem parteilosen Ministerpräsidenten Mario Draghi ausgesprochen hatten. Sechs Tage lang hatte es die Wahlversammlung nicht geschafft, einen Nachfolger Mattarellas zu wählen.

 Auch der Versuch des Mitte-Rechts-Bündnisses scheiterte, die Senatspräsidentin Elisabetta Casellati im Alleingang zu wählen. Am Ende gab es nur zwei Kandidaten, die für Stabilität standen. Draghi selbst oder der mittlerweile 80jährige Amtsinhaber, der monatelang eine Wiederwahl ausgeschlossen hatte und sich nun breitschlagen ließ. Die Regierenden, denen von den linken Sozialdemokraten bis zur rechten Lega so ziemliche jede Strömung des politischen Spektrums angehören, einigten sich schließlich auf Mattarella, der wiederum zumindest „eine Zeitlang“ im Amt bleiben will.

Giorgia Meloni fordert eine Neugründung des Bündnisses

Außen vor ist die derzeit nach Umfragen stimmenstärkste, aber an der Regierung nicht beteiligte Rechtspartei Fratelli d’Italia (FdI). Bei den vergangenen Parlamentswahlen noch mit vier Prozent mehr oder weniger Splitterpartei, käme sie derzeit auf mehr als 20 Prozent der Stimmen. Doch die kommissarische Draghi-Regierung hat aus guten Gründen derzeit kein Interesse an Neuwahlen, aus der die äußerste Rechte als Siegerin hervorgehen könnte.

 Dementsprechend erregt äußerte sich FdI-Chefin Giorgia Meloni. Wortgewaltig warf sie das Wort „Colpo“ in die Runde, was nicht weniger als Putsch bedeutet. „Die Mehrheit der Bürger ist nicht mehr repräsentiert“, sagte die 45jährige, die bereits zuvor eine Direktwahl des Staatspräsidenten gefordert hatte. 

Indirekt Kritik übte Meloni auch an ihrem bisherigen Bündnispartner Matteo Salvini, dem Vorsitzenden der föderalistischen Lega. „Die Mitte-Rechts-Allianz ist zerstückelt aus dieser Präsidentenwahl hervorgegangen. Sie muß neu gegründet werden, und daran arbeite ich seit heute. Damit wir nicht mehr von einer immer arroganteren Linken schlecht behandelt werden. Wir sind im Parlament zwar zersplittert, aber eine Mehrheit im Land“, sagte Meloni. 

Mit diesem Vorpreschen hat Meloni nicht unbedingt für Begeisterung bei der Lega gesorgt. Parteichef Salvini brachte ein neues Bündnis ins Spiel. „Unser Modell kann das der Republikanischen Partei in Amerika sein“, sagte der frühere Innenminister und meinte damit wohl eher die amtierende Koalition als das bisherige Mitte-Rechts-Bündnis, dem neben der Lega, den FdI die Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi angehört. Beobachter sehen in diesem Vorschlag eine Drohung Salvinis in Richtung Meloni, nicht nach der Führungsrolle im rechten Lager zu greifen. Denn die derzeitige „Draghi-Koalition“ arbeitet auch an einer Reform des Wahlrechts. Eine Möglichkeit wäre die Einführung des Mehrheitswahlrechts. Für Melonis Partei käme dies einer vorauseilenden Entmachtung gleich. „Dann wäre sie wie Le Pen in Frankreich. Mit viel Stimmen, aber ohne jeden Einfluß“, analysierte die konservative Zeitung Libero.