© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Sonderkapitel im ersten Jahreswirtschaftsbericht der Ampel-Regierung
Grüne Wohlfahrtsmessung
Dirk Meyer

Der Club of Rome hat 1972 mit seinen „Grenzen des Wachstums“ wachgerüttelt. Ja, Ressourcen sind endlich, aber die daraus abgeleiteten Untergangsprognosen waren falsch. Ein funktionsfähiger Preismechanismus und offene Märkte entfalten die notwendige Innovationskraft, um aus einer Knappheitssituation herauszuhelfen. Wachstum ist notwendig, um sich Umweltschutz leisten zu können. Ökologen lernten auch, daß Eigentumsrechte für Umweltressourcen ähnlich dem jahrhundertealten Bodenrecht anwendbar sind. So sind handelbare CO2-Emissionszertifikate heute EU-Normalität (JF 5/22).

Der erste Jahreswirtschaftsbericht der Ampel-Regierung läßt jedoch aufhorchen: „Nachhaltiges und inklusives Wachstum – Dimensionen der Wohlfahrt meßbar machen?“ lautet darin ein verändertes Sonderkapitel. Robert Habeck hielt es, wohl auch um des lieben Koalitionsfriedens willen mit der FDP, für opportun, sein neu ausgerichtetes Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz um einige Glättungen zu bitten. Doch generell spricht das Kapitel auf zwölf Seiten nichts an, was nicht längst von Ökonomen gefordert wird. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein wichtiger Indikator zur Messung der Wirtschaftskraft eines Landes, der um weitere Wohlfahrtsindikatoren in der Aussagekraft zu ergänzen ist.

So schlägt auch die Wirtschaftsorganisation OECD weitere Meßziffern für Freizeit, Umwelt, Gesundheit, Rechtspflege und persönliche Sicherheit vor. Ins Auge fallen die Begriffe eines „nachhaltigen und inklusiven Wachstums“, bei denen es sich um interpretationsfähige „Wiesel-Worte“ handelt. Sie deuten die Unterscheidung eines rein quantitativen Wachstums von dem eines – politisch erwünschten – qualitativen Wachstums an. Als ob ein hoher Preis nicht gerade das Ergebnis einer entsprechenden Nachfrage wäre, die gerade eine hohe Qualität belohnt. Deshalb zeugt Habecks Kritik am BIP, „am Ende wächst die Wirtschaft auch, wenn wir Pyramiden bauen“, von mangelndem ökonomischem Grundverständnis. Denn eine Pyramide wäre hier nutzlos, daher unverkäuflich und insofern gar nicht erst produziert worden. Einer der etwa 30 ergänzenden Indikatoren nennt die „Überbelastung durch Wohnkosten“, wobei das politische Werturteil ganz offensichtlich durchklingt. Mögliche Ursachen wie mietpreistreibende Bauvorschriften oder ein Investoren abschreckender und enteignungsgleicher „Mietendeckel“ werden nicht genannt.

Auch bleiben einige Indikatoren beliebig. So die „frühen Schulabgängerinnen und Schulabgänger“, die höchstens über einen Haupt- oder Realschulabschluß verfügen, und mit 10,1 Prozent aller 18- bis 24jährigen angegeben werden. Wäre hier nicht die Quote von 5,9 Prozent derjenigen Jugendlichen ohne Schulabschluß wesentlich problematischer? Schließlich werden die „Ausgaben für Forschung und Entwicklung“ ermittelt. Dies ist ein reines Input-Maß und sagt über den Erfolg von F&E nichts aus. Auch wird die Innovationsoffenheit als Bedingung für eine nachhaltig-erfolgreiche Entwicklung nicht angesprochen, die gerade beim Klimaschutz dieser Regierung fehlt. „Es geht hier nicht um akademisches Trockenschwimmen“, so Habeck. Grundkenntnisse einer marktwirtschaftlichen Ordnung würden einem in Literaturwissenschaft promovierten Wirtschaftsminister jedoch gut anstehen.






Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.