© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

Chaoswoche in der Politik
Immobilienmarkt: Förderung energieeffizienter Wohngebäude zuerst rückwirkend gestoppt / Eine kleine Rolle rückwärts nach Proteststurm
Stefan Kofner

Für die Wohnungswirtschaft und für viele private Bauherren war es zunächst ein gewaltiger Schock: Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ist ohne Vorwarnung zum 24. Januar gestoppt worden. Angesichts eines ungedeckten Minus von 5,4 Milliarden Euro in seinem Fördertopf blieb dem grünen Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck aber wohl keine andere Wahl. 

Der Antragsstopp gilt für die Neubauförderung ebenso wie für die energetische Sanierung von Gebäuden und er sollte eben auch rückwirkend für die 24.000 bereits bei der Förderbank KfW in der Kredit- oder Zuschußvariante gestellten, aber noch nicht bewilligten Anträge gelten. Wie zu erwarten, hagelte es Kritik von allen Seiten, besonders von den Immobilienverbänden. Es drohte ein gewaltiger Vertrauensschaden bei den Häuslebauern und Investoren, die die KfW-Mittel fest in ihre Finanzierung eingeplant hatten.

Schwere wohnungspolitische Zielkonflikte zeichneten sich deutlich ab: Geplante Bauvorhaben wären entweder gar nicht oder wegen erforderlicher Umplanungen nur mit erheblicher Verzögerung und dann mit höheren Mieten und/oder schlechterer Klimabilanz realisiert worden. Der Immobilienverband GdW schätzte, daß 200.000 Wohnungen ohne die Fördermilliarden nicht wie geplant hätten fertiggestellt werden können, darunter sehr viele Sozialwohnungen. In einem auch sonst schwierigen Bauumfeld hätte die Koalition ihr großspurig ausgegebenes Ziel von 400.000 Wohnungsfertigstellungen jährlich für dieses Jahr gleich wieder begraben können.

Eine Woche später reagierte die Bundesregierung auf den heftigen Proteststurm: Die bis 24. Januar gestellten Anträge sollen nun doch noch nach den ursprünglichen Regeln bearbeitet werden. Das fehlende Geld wird vermutlich aus den umgewidmeten 60 Milliarden Euro der Corona-Hilfen genommen. Wer seinen Antrag erst in der letzten Januarwoche stellen wollte, schaut trotzdem in die Röhre. Das Problem waren die über 20.000 bereits gestellten Förderanträge für Neubauvorhaben nach dem weniger anspruchsvollen KfW-Effizienzhausstandard 55 (Gebäude mit einem um 45 Prozent geringeren Bedarf an Primärenergie als ein Referenzgebäude). Investoren mußten den gesetzlichen Neubaustandard nur um etwa 25 Prozent übertreffen, um diese Einstiegsförderung in Höhe von 18.000 Euro je Wohnung zu erhalten. Die Wohnungswirtschaft kombinierte diese niedrig hängenden Fördertrauben gerne renditesteigernd mit Maßnahmen der sozialen Wohnraumförderung.

Die ganze Aufregung und das Hin und Her ist eine Fallstudie schlechten politischen Managements. Schon im Sommer 2021 hatte der damalige SPD-Finanzminister Olaf Scholz zusammen mit CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier das mittelfristige Aus für das KfW-55-Programm beschlossen, ohne das jedoch zu kommunizieren. Laut Spiegel zeichnete sich ab, daß das Geld nicht reichen würde: „Aber weder Scholz noch Altmaier wollten offensichtlich so kurz vor den Wahlen ein Förderprogramm zusammenstreichen, das sich so großer Beliebtheit in ihrer Kernwählerschaft erfreute.“

Zukünftige Ausrichtung der Ampel-Subventionspolitik noch unklar

Man ließ die Förderung weiterlaufen, aber mit einer Befristung bis Ende Januar, über die die potentiellen Antragsteller Anfang November informiert wurden. Und das war der entscheidende Fehler: Drei Monate Vorwarnzeit sind für die unternehmerische Wohnungswirtschaft mehr als genug Zeit, um noch sehr viele Förderanträge zu stellen. Dieses Restzeitfenster ohne Aussicht auf eine Anschlußförderung hat die Torschlußpanik und den Antragsboom ausgelöst, der schließlich den Haushaltsrahmen sprengte.

Der ganze Ansatz, durch üppig dotierte Förderprogramme die ständig steigenden technischen Anforderungen zu kompensieren, steht nun unter einem grünen Minister in Frage. Der 55er-Standard im Neubau soll zukünftig über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) erzwungen werden, wobei das die Anreize für den Wohnungsneubau empfindlich dämpfen würde. Die Ampel-Regierung plant ein vollkommen neues Fördersystem, das den Lebenszyklus von Immobilien, klimafreundliche Energiegewinnung und andere Faktoren berücksichtigt.

Dann wird die Regierung den Wählern die Rechnung für die globale Klimarettung im Gebäudebereich präsentieren müssen. Es ist zwar nicht unmöglich, das magische wohnungspolitische Dreieck mit hohen Fertigstellungsziffern, erschwinglichen Mieten und höchsten Energiestandards gleichzeitig zu erreichen – aber nur wenige werden den hohen Preis dafür bezahlen wollen. Die Frage lautet nicht, wieviel Klimaschutz wir uns leisten wollen, sondern wieviel wir uns leisten können.

Der Koalitionsvertrag sieht eine Konzentration der Förderung auf den Bestand vor. Unter dem Gesichtspunkt der CO2-Effizienz könnte man die Förderung im Neubaubereich auch gleich ganz einstellen. Aber das wirkt sich wiederum negativ auf die Bauaktivität und die Neubaumieten aus, wenn weiter hohe energetische Standards regulatorisch erzwungen werden sollen. Bei der Gebäudesanierung ist bis auf weiteres eine Konzentration auf effektive Einzelmaßnahmen sinnvoll, denn auch hier gilt das Prinzip des abnehmenden Grenznutzens. Wenn wir die Millionen alten Gas- und Ölheizungen gegen hybride Heiztechnik (Gasbrennwertgerät kombiniert mit Wärmepumpe/Solaranlage) austauschen und zusätzlich einen hydraulischen Abgleich durchführen, dann hat das bereits einen sehr großen Effekt auf die CO2-Bilanz des Gebäudesektors. 54.000 Euro Fördermittel für die Sanierung einer Altbauwohnung auf den KfW-Standard 40 aufzuwenden, ist dagegen die reinste Mittelverschwendung.

Es bleibt noch die ketzerische Frage, ob das jetzt überhaupt die rechte Zeit für eine massive Wohnungsbauförderung ist. Ob man nun Sozialwohnungen oder Energieeffizienz fördert – immer mehr stößt man an die Grenzen durch die Decke schießender Bau- und Bodenpreise und angespannter Baukapazitäten. Aber kompromißloser Klimaschutz im Panikmodus verträgt sich wohl kaum mit dem Warten auf bessere Zeiten.

Bundesförderung für effiziente Gebäude: bafa.de

Foto: Dachdecker bei der Arbeit: Sollen die grünen Klimastandards künftig durch drastische Gesetze statt üppiger Fördermittel erzwungen werden?