© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/22 / 04. Februar 2022

„Meilenstein für den Schiffsverkehr nach Hamburg“
Transportbranche: Elbvertiefung nach 20 Jahren trotz Widerstands endlich fertig / Sorgenkind bleibt der internationale Containermangel
Martin Krüger

Vor 70 Jahren träumte Hamburg von einem Tiefwasserhafen im Wattenmeer vor Cuxhaven. Doch aus dem „Europort“ wurde nichts – alle Planungen verliefen im Sande. Aber die Containerschiffe und Öltanker wurden global immer größer. Um nicht noch mehr Ladung an Rotterdam oder Antwerpen zu verlieren, wurde die Elbe seither fünfmal ausgebaggert. Die jüngste Elbvertiefung brauchte zwei Jahrzehnte bis zur Fertigstellung: 2002 beantragt, wurde die Fahrrinnenvertiefung um 1,90 Meter nun am 24. Januar endlich freigegeben. Klagen von Umweltschützern sowie die deutsche und EU-Genehmigungsbürokratie hatten hinhaltenden Widerstand geleistet.

Ozeanriesen mit 13,50 Meter Tiefgang können nun unabhängig von Ebbe und Flut den größten deutschen Hafen ansteuern. Gezeitenabhängig sind sogar 14,50 Meter möglich. Zugleich wurde die Traglast je Schiff auf etwa 10.000 Zwanzig-Fuß-Standardcontainer (TEU) erhöht, die Reedereien können so noch mehr Ladung nach Hamburg zu bringen. Zudem gibt es bereits seit 2020 zwischen Wedel und Wittenbergen eine „Begegnungsbox“. Dadurch können jetzt besonders große und ausladende Schiffe einander passieren. Bislang war die Elbfahrrinne für sie eine „Einbahnstraße“ gewesen.

„Der Abschluß der Arbeiten ist ein Meilenstein für den Schiffsverkehr nach Hamburg“, freute sich der parteilose Wirtschaftssenator Michael Westhagemann. Allerdings muß die Hansestadt jährlich etwa 100 Millionen Euro für die Unterhaltungsbaggerei ausgeben, um die Verschlickung des Hafenbeckens zu verhindern und die gestiegenen Solltiefen zu erhalten. Und während der langen Planungszeit ist das Volumen auf den großen Containerschiffen bereits auf das Doppelte gestiegen: Die „Ever Given“ aus der Evergreen-G-Klasse, die im März 2021 den Suezkanal blockierte, hat eine Kapazität von 20.124 TEU bei einem maximalen Tiefgang von 16 Metern. Mit voller Kapazität können solche Riesen Hamburg weiterhin nicht ansteuern.

Aber damit ist vorerst kaum zu rechnen, denn internationales Sorgenkind bleibt der Containermangel. Teilweise warten Container wochenlang, bevor es per Zug oder Lkw an ihren Bestimmungsort weitergeht. Dadurch fehlen anderenorts Leercontainer, und erstellte Fahrpläne können nicht eingehalten werden. Dabei hat sich die durchschnittliche Verweildauer eines Containers in Chinas Häfen 2021 auf fünf Tage reduziert. Vietnam, Singapur, Thailand beziehungsweise Indonesien haben die Umschlagdauer auf neun bis 19 Tage verkürzt.

Dagegen stellen die Häfen Europas und der USA mit ihrem langsamen Container-Rückfluß den eigentlichen Hemmschuh dar. Die Verweildauer eines Containers beträgt in Europa im Schnitt 51 Tage. In Deutschland sind es 25 Tage. Da es in den USA keine 24-Stunden-Arbeitszeit beim Entladen gibt, führt das zu Lagerungszeiten von etwa 50 Tagen für eine Containerbox. Daher bauen die Reedereien jetzt Druck auf und veröffentlichen die Wartezeiten der Seehäfen. Reedereien und Analysten rechnen mit keiner raschen Veränderung. „Die indirekten Auswirkungen der Corona-Pandemie haben die Märkte 2021 dominiert und werden es auch 2022 tun“, sagt Tobias Stöhr, Börsenexperte bei Spectrum Markets. Die zeitweisen Hafenschließungen blockierten den Schiffsverkehr und die Container. „Die Überlastung der Hafenstandorte wird wahrscheinlich anhalten“, so Stöhr.

Infos des Wasserstraßenamts Elbe–Nordsee:  www.fahrrinnenanpassung.de